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Frage von Kai M. •

Frage an Wolfgang Schäuble von Kai M. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,

ich denke, daß die deutsche Bevölkerung durch die Erfahrung, die die Geschichte lehrt, außerordentlich sensibel auf Gesetze reagiert, die die Macht von staatlichen Institutionen ausdehnen (wie das BKA-Gesetz oder die VDS). Wer Daten über einen Menschen sammelt, hat Macht über diesen Menschen - und Deutschland hat im vergangenen Jahrhundert zweimal erlebt wie Macht mißbraucht werden kann.

Auch beobachte ich, daß unser Staat nur aus Menschen besteht und Menschen Fehler machen. Ein paar Fehler aus der jüngsten Vergangenheit waren:

* Mißbrauch von Daten beim ehemals staatlichen, größten Telefonkonzern (Mai 2008)
* Bei Youtube verfügbare Mitschnitte eines Polizeinotrufs (Mai 2008)
* Daten von 44.000 Studenten durch staatliche Universität veröffentlicht (Mai 2008)
* Datenpanne bei Einwohnermeldeämtern durch die Daten von Bürgen offen im Internet waren (Juni 2008)
* Fragwürdiges Ausspähen der saarländischen SPD durch Kriminalpolizei (Juni 2008)

Mein Problem ist nun, daß mein Vertrauen in diesen Staat nicht groß ist - und durch Vorfälle wie die oben genannten stetig schrumpft. Nun möchte aber genau dieser (nicht vertrauenswürdige) Staat immer mehr Daten - somit Macht - über mich erlangen. Doch ich sehe nicht, daß ich davon profitiere - da ich keine "terroristische Gefahr" sehe.

Vielleicht hätten Sie mit Ihren Initiativen mehr Erfolg, wenn Sie beweisen würden worin die "terroristische Gefahr" besteht. Weiterhin sollten Sie schlüssig darlegen, wie die Mittel (z.B. das BKA-Gesetz) dafür eingesetzt werden, damit diese "terroristische Gefahr" kleiner wird (= der Nutzen der Gesetze). Und nicht zuletzt wäre eine Initiative notwendig, die dafür sorgt, daß in diesen Staat Vertrauen seitens der Bürger aufgebaut wird (z.B. verschärfter Datenschutz mit deutlichen Strafen bei Zuwiderhandlung). Zum Schluß habe ich 2 einfache Fragen: Können Sie meine Angst verstehen? Und planen Sie etwas dagegen zu tun?

Herzlichen Dank &
Freundliche Grüße
Kai Müller

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Sehr geehrter Herr Müller,

gerne erläutere ich Ihnen, worin die "terroristische Gefahr" in Deutschland besteht. Die schrecklichen Terroranschläge in New York und Washington am 11. September 2001 haben auf grauenvolle Weise eine neue Dimension des Terrors und eine weltweit neue Bedrohungslage offenbart. Der islamistische Terrorismus stellt heute die größte Gefahr für unsere Sicherheit dar. Tausende von Todesopfern weltweit sprechen eine deutliche Sprache. Die Vereinigten Staaten von Amerika erscheinen zwar nach wie vor im Fokus terroristischer Aktivitäten. Der Terror richtet sich aber letzten Endes gegen alle freien Gesellschaften. Auch Deutschland ist zunehmend im Blickfeld der Terroristen. Im vergangenen Jahr hatten wir Glück, dass zwei Kofferbomben, die bereits im Zug platziert waren, wegen eines kleinen technischen Fehlers nicht zündeten. Im September 2007 wurden im Sauerland drei Terrorverdächtige festgenommen und damit massive Anschläge verhindert. Die bei ihnen sichergestellten Chemikalien hätten ausgereicht, um Bomben mit einer höheren Sprengkraft als bei den Anschlägen in Madrid und London zu bauen. Vor dem Hintergrund nur dieser beiden Beispiele kann ich schwer nachvollziehen, warum Sie keine terroristische Gefahr in Deutschland erkennen wollen.

Ich bin auch der Auffassung, dass wir auf die terroristische Bedrohung sehr ausgewogen reagiert haben. Das Parlamentarische Kontrollgremium, dessen Aufgabe die Kontrolle der Exekutive ist, hat festgestellt, dass die Bundesregierung mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz maßvoll reagiert hat, von den dadurch eröffneten Möglichkeiten verantwortungsbewusst Gebrauch macht und sie erfolgreich einsetzt. In dem von Ihnen konkret angesprochenen BKA-Gesetz werden dem BKA zur effektiven Wahrnehmung seiner Aufgabe entsprechende Befugnisse verliehen. Diese Befugnisse orientieren sich an den Gefahrenabwehrbefugnissen der Bundespolizei und der Polizeien der Länder. Die Regelung zur Online-Durchsuchung ist dabei die einzige Befugnis, die nicht bereits in Landespolizeigesetzen enthalten ist. Aufgrund der hohen Schwelle, die sich bereits aus der Aufgabennorm ergibt (es muss sich um Gefahren des internationalen Terrorismus handeln), und den jeweils zusätzlichen Eingriffsschwellen, die auf die jeweilige Schwere des Grundrechtseingriffs abgestimmt sind, ist sichergestellt, dass von den Befugnissen nur in einer überschaubaren Zahl von Fällen Gebrauch gemacht wird. Da die Aufgabe bislang von den Ländern mit ähnlichen Befugnissen (allerdings auf der Grundlage von 16 Landespolizeigesetzen) wahrgenommen wurde, müssen die Bürgerinnen und Bürger nicht mit zusätzlichen Maßnahmen rechnen. Dies gilt gerade mit Blick auf die Regelungen zur Telekommunikations- und Wohnraumüberwachung.

Die neue Aufgabe des BKA beruht auf einer sachgerechten Entscheidung der Föderalismuskommission, die eine Änderung des Grundgesetzes zur Folge hatte: Der internationale Terrorismus kann in bestimmten Fällen in Bundeszuständigkeit besser und effektiver bekämpft werden als in einer zergliederten Länderzuständigkeit, weshalb für diesen Bereich eine Kompetenz des Bundeskriminalamtes festgeschrieben wurde. Die im BKAG enthaltene neue Befugnis zur Online-Durchsuchung wurde als sehr ausgewogene Regelung unter hohen Voraussetzungen ausgestaltet und mit weitreichenden Kontrollsicherungen zum Grundrechtsschutz versehen. Die Regelung entspricht dabei den verfassungsrechtlichen Vorgaben und den Hinweisen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzgesetz (vgl.: http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20080227_1bvr037007. html ; mehr Informationen zur Onlinedurchsuchung auch unter http://www.bmi.bund.de/cln_028/nn_165104/Internet/Content/Themen/FragenUndAn tworten/Online__Durchsuchungen.html ).

Ich sehe in einer sachgerechten und kontinuierlichen Informationspolitik der Bundesregierung den richtigen Weg, unbegründete Ängste der Bevölkerung auszuräumen, sie aber gleichzeitig für die vom internationalen Terrorismus ausgehende Gefahr zu sensibilisieren. Im demokratischen Rechtsstaat wäre es verzerrend, vornehmlich im Staat - der nicht der Obrigkeitsstaat des 19 Jahrhundert ist - eine Bedrohung für die individuellen Grundrechte sehen zu wollen. Diese werden allerdings sehr real von Verbrechern bedroht. Wir wollen alle ohne Angst in Freiheit leben. Deshalb muss unser Staat die hierfür notwendige Sicherheit schaffen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Wolfgang Schäuble