Frage an Wolfgang Schäuble von Alexander M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schäuble,
mir ist bei der letzten Diskussion um die Islamkonferenz aufgefallen, dass die Islamkonferenz Islamunterricht an Schulen fordere.
Ich möchte fragen, wie sie zu dem Vorwurf stehen, diese Form des Unterrichts, würde Muslime von der Mehrheitsgesellschaft abschotten?
Mein Anliegen beruht auf der Tatsache, dass es bisher in Hamburg so war, dass es einen Religionsunterricht für alle gab, der Muslime, Christen, Juden und etc. alle zusammen über die großen Weltreligionen aufgeklärt hat. Dadurch wurden wir zu aufgeklärten, säkulären und toleranten Menschen erzogen, die sich auch mit anderen Kulturen und Religionen auskennen.
Warum verzichtet der Staat, der zur Neutralität verpflichtet ist, auf solche Lösungen?
Sehr geehrter Herr Müller,
islamischer Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach in deutscher Sprache an öffentlichen Schulen kann einen wichtigen Beitrag zur Integration der Muslime in unsere Gesellschaft leisten. Demgegenüber tragen andere Formen islamisch-religiöser Erziehung, die nicht der staatlichen Schulaufsicht unterliegen, wie wir sie heutzutage teilweise in Koranschulen feststellen müssen, zu einer Abschottung bei. Das möchte ich ändern.
Die Deutsche Islam Konferenz hat daher in ihrer Plenumssitzung vom 13. März 2008 klare Voraussetzungen für die Einführung von konfessionellem islamischem Religionsunterricht an öffentlichen Schulen beschrieben: So muss eine Religionsgemeinschaft, die die Einführung von Religionsunterricht ihrer Konfession begehrt, auch die Gewähr bieten, dass ihr Verhalten fundamentale Verfassungsprinzipien, die Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts nicht gefährdet. Darüber hinaus unterliegt der Unterricht als ordentliches Lehrfach nicht nur der Schulaufsicht, sondern muss auch wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Dies bedeutet, dass neben dem bekenntnisverkündenden Charakter zusätzlich die Vermittlung von Wissen sichergestellt werden muss. Dieser wissenschaftliche Anspruch des Unterrichts bedingt, dass die verkündete Religion auch in Relation zu anderen Religionen und Glaubensrichtungen zu setzen ist. Ferner müssen formale Kriterien erfüllt sein, wie das Vorhandensein einer Religionsgemeinschaft, die ihre Grundsätze für den Religionsunterricht definiert. Nötig sind zudem eindeutige Regeln über die Vertretung der Gemeinschaft, die für die zuständigen Behörden erkennen lassen, ob der jeweilige Verhandlungspartner autorisiert ist, die erforderlichen Festlegungen verbindlich im Namen der Gemeinschaft zu treffen. Das ist für die Mitwirkung im Rahmen der von Artikel 7 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes vorgesehenen Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinschaft entscheidend.
In unserer föderalen Ordnung ist die Ausgestaltung des Religionsunterrichts Ländersache. Eine Reformierung des ordentlichen Religionsunterrichts in einen rein religionskundlichen Unterricht hielte ich persönlich aber für falsch.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Wolfgang Schäuble