Frage an Wolfgang Schäuble von Heinz V. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Wolfgang Schäuble,
dass in Zeiten der Finanzkrise zunächst höhere Staatsschulden erforderlich sind, halten Sie für richtig. Unser Finanzsystem, dass auf Zins- und Zinseszins basiert ist Mithilfe unserer Bankenorganisation so reguliert, dass den Verbindlichkeiten eine gleiche hohe Summe an Guthaben gegenüberstehen (siehe www.finanzcrash.de Autor Günter Hannich).
Gemäß offizieller Statistik liegt mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens in den Händen von lediglich 5% der Bevölkerung.
Abgesehen vom fragwürdigen Dogma, dass Schulden immer zurückgezahlt werden müssen (siehe Börsenaltmeister Andre Kostolany), bitte ich Sie um ehrliche Antwort als Mitbürger und ranghoher Politiker in einer Person auf folgende 3 Fragen:
1. Hat es in der Vergangenheit schon jemals einen Staat gegeben, der seine Staatsverschuldung komplett zurückgezahlt hat?
2. Ist es logisch begründbar, ab welcher Höhe oder ab welchem Zeitpunkt eine Reduzierung der Staatsschulden unausweichlich wird? (bitte nicht nur mit dem Wort „Staatsbankrott“ begründen)
3. Vorbemerkung: Man stelle sich vor, dass die Regierung vor 8 Jahren für das Jahr 2010 ein Defizitverbot per Gesetz beschlossen hätte.
Warum also beschließen Regierungen (insbesondere unsere Regierung), dass Reduzierung der Staatsdefizite immer erst zukünftig, in einigen Jahren beschlossen werden, wenn doch in der gesamten Vergangenheit trotz guter Wirtschaftsjahre niemals eine Reduzierung erfolgte, oder ist dies politisch systembedingt, um die Probleme dann den zukünftigen Politikern aufzubürden?
Sehr geehrter Herr Vins,
es gibt in der Tat Staaten, in denen keine Staatsverschuldung vorliegt, insbesondere Staaten mit wertvollen Rohstoffvorkommen. So hat beispielsweise Norwegen höhere Rücklagen als Schulden und somit "Staatsguthaben". Allerdings ist die Liste der Länder ohne Schulden kürzer, als die der Länder mit Schulden.
Es gab vor einigen Jahren einen Werbespruch einer deutschen Bank der auf die Finanzmärkte zutrifft: "Vertrauen ist der Anfang von allem". So lange die Kapitalgeber Vertrauen in die Rückzahlungsfähigkeit von Kreditnehmern haben, ist eine Verschuldung relativ unproblematisch. Wenn allerdings Zweifel an der Solvenz aufkommen, müssen Kreditnehmer immer höhere Risikoaufschläge zahlen, es wird also immer teurer sich zu verschulden. Und damit kommen schon lange vor einem "Bankrott" erhebliche Probleme auf den Kreditnehmer zu, da immer größere Teile seiner Einnahmen für Zinszahlungen benötigt werden. Auch in Deutschland war ein Punkt erreicht, der eine Reform der staatlichen Verschuldungsregeln nötig machte. Die bisherigen Regeln hatten nämlich ein ständiges Ansteigen der Staatsverschuldung nicht verhindern können, mit der Folge, dass aktuell jeder 8. Euro im Bundeshaushalt für Zinszahlungen verwandt wird.
Von vielen Ökonomen wird Staatsverschuldung als "süßes Gift" bezeichnet. Im Moment der Verschuldung sind alle Beteiligten glücklich. Politiker können Maßnahmen beschließen und politische Schwerpunkte setzen, Bürger und Unternehmen erhalten Entlastungen oder staatliche Leistungen und Sparer bekommen vom Staat Zinsen für ihr bereit gestelltes Kapital. Allerdings wirkt dieses Gift nur kurzfristig, denn mittel- und langfristig sind die Zinszahlungen zu leisten. Wenn diese zu stark ansteigen werden die Nebenwirkungen deutlich. Die neue Schuldenbremse ist daher eine bewusste Selbstbeschränkung bei der Verschuldung, um den vermeintlich einfachen Weg der Finanzierung von Staatsaufgaben über Schulden zu unterbinden. Hierdurch wird auch die Transparenz der Kosten staatlichen Handelns erhöht.
Die neue verfassungsrechtliche Schuldenregel sieht vor, dass Bund und Länder ihre Haushalte grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten ausgleichen müssen. Wir sichern damit die zukünftige Handlungsfähigkeit des Staates. Bereits in diesem Jahr wird im Finanzplan bis 2014 darzulegen sein, wie wir die Vorgaben der Regeln einhalten wollen. Die Bundesregierung musste sich aber realistische Ziele setzen. Die aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise stark angestiegenen Defizite hatten ein sofortiges Verschuldungsverbot unmöglich gemacht. Daher sind Übergangsregelungen bis einschließlich 2015 (Bund) bzw. 2019 (Länder) vereinbart. Der Bund ist zur Rückführung des im Jahr 2010 bestehenden strukturellen Defizits in gleichmäßigen Schritten unter die ab 2016 geltende 0,35 %-Grenze verpflichtet. Für die Länder ist ab 2020 keine strukturelle Verschuldung mehr zulässig. Die neue Schuldenregel wird dazu führen, dass die Schuldenstandsquote selbst bei moderatem Wirtschaftswachstum rasch absinkt und damit auch der Anteil der Zinszahlungen in den öffentlichen Haushalten abnimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Schäuble