Frage an Wolfgang Rettich von Thorsten A. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Rettich,
in Bochum wird aufgrund mangelnder finanz. Einnahmen über Einsparungen im Bildungsbereich nachgedacht. Zum Thema Grundschulen existiert bereits ein Ratsbeschluss durch Schliessung von 12 Schulen 6 Mio. Euro einzusparen.
Dadurch entstehen teil lange und gefährliche Schulwege, anonyme Massenschulen ohne pers. Bindung und die Stadt erleidet einen deutlichen Attraktivitätsverlust.
Wie stehen Sie dazu?
Wäre es nicht eine Chance, über bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen UND Aufbau einer für Familien attraktiven Stadt eine Lösung zu finden? Runieren sich die Kommunen durch sogenannte "Einsparungen" nicht selbst und begeben sich dadurch in eine negative Abwärtsspirale?
MIt freundlichen Grüssen
T. Arnold
PS: ein gutes Beispiel für eine attraktive Schule mit engagierten Eltern erscheint mir hier: stuhlpaten.de -> wollen wir nicht gemeinsam für Bildung und Engagement kämpfen, statt Frustration und Bildungsohnmacht zu generieren?
Sehr geehrter Herr Arnold
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Bildung. In der Tat ist zwar die Hochschulbildung einer meiner Politikfelder, aber zum Thema „Grundschulen“ musste ich mich erst informieren.
Die Schülerzahl an den Bochumer Grundschulen ist zwischen den Schuljahren 2005/2006 und 2010/2011 um 10,6 % gesunken. Bis 2017 wird sie um weitere 3,5 % abnehmen. M.E. müssen auch aufgrund des demographischen Wandels bewerte Strukturen auf den Prüfstand.
Entscheidend für Schulen ist die Lehrerversorgung. Die Lehrerzuweisung erfolgt durch das Land, und zwar nach Gesamtschülerzahl und nicht nach der Anzahl gebildeter Klassen. Die rot-grüne Landesregierung wollte die Klassenfrequenzrichtwerte im 8. Schulrechtsänderungsgesetz senken. Das Gesetzgebungsverfahren wurde durch die Auflösung des Landtags unterbrochen und muss vom neuen Landtag neu begonnen werden.
Die dort vorgesehene relativ geringe Verkleinerung der Klassengröße würde aber an der grundsätzlichen Problematik nichts ändern. Aufgrund der prekären Haushaltssituation im Land ist mit großen Senkungen der Klassenfrequenzrichtwerte in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Für mich zählt auch hier die Frage der Generationengerechtigkeit. Wir können den jetzigen SchülerInnen nicht nur einen Schuldenstaat hinterlassen. Deswegen muss jeden Handlung auch unter dem Auge der Haushaltssituation betrachtet werden. Bei mehr als 3 Milliarden Euro Neuverschuldung sind mehr LehrerInnenstellen schwer zu realisieren. M.E. helfen hier nur Steuererhöhungen auf Bundesebene, da es auf NRW Ebene hierzu kaum Möglichkeiten gibt. Weitere Umschichtungen im NRW-Haushalt sind daher auch nötig. Diese Gelder würden natürlich in anderen Bereichen (z.B. ÖPNV, Klimaschutz, Soziales, Zivilschutz, Polizei etc.) fehlen. Somit muss hier eine Abwägung erfolgen.
Schon jetzt ist an vielen Bochumer Grundschulen eine ausreichende Lehrerversorgung schwer darstellbar. Das liegt daran, dass an zu vielen kleinen Schulen zu viele kleine Klassen gebildet wurden. Schon jetzt müssen viele SchülerInnen unter Unterrichtsausfall, fehlenden Differenzierungsangeboten usw. leiden. Auch für LehrerInnen und Schulleitungen ist die aktuelle Situation aus diesen Gründen zum Teil sehr stressig, was sich auch in einem hohen Krankenstand niederschlägt. Für das Schuljahr 2013/2014 hat die Schulaufsicht (staatliches Schulamt und Bezirksregierung) der Stadt deshalb vorgegeben, maximal 115 Eingangsklassen an den Grundschulen zu bilden.
Schulwege können im Einzelfall sicher länger werden, es gibt aber zahlreiche Schulen, die nicht weit voneinander entfernt sind. Wir Grüne sind grundsätzlich für das Prinzip "kurze Beine, kurze Wege". Nach dem Wegfall der Schuleinzugsbezirke (durch CDU/FDP) hat sich gezeigt, dass für viele Eltern ein kurzer Schulweg nur ein Gesichtspunkt unter vielen ist. In Bochum werden rund 30 % der GrundschülerInnen (an einigen Schulen bis zu 80%) in Schulen unterrichtet, die fußläufig nicht zu erreichen sind.
Massenschulen wir es nicht geben. Die größten Bochumer Grundschulen sind drei- und vierzügig. Niemand denkt an noch größere Grundschulen. Gegenwärtiger Stand der Schulentwicklungsplanung ist, das alle zwei- bis dreizügigen Schulen Bestandsschutz haben und Grundschulen mindestens zweizügig sein sollen.
Zur Borgholzschule:
Es ist noch nichts entschieden. Die Schulentwicklungsplanung läuft noch unter Einbeziehung der Bezirksvertretungen und Schulkonferenzen. Ein Ratsbeschluss wird frühestens im September erfolgen (so wurde mir mitgeteilt). An der Borgholzschule gab es zuletzt nur 30 Anmeldungen (= eine Eingangsklasse). Trotz engagierter Eltern und LehrerInnen ist es deshalb folgerichtig, dass die Schule in die Schließungsdiskussion mit einbezogen wird.
Ich hoffe, ihnen damit weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Rettich