Frage an Wolfgang Raufelder von Dieter O. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Raufelder,
mit Entsetzen musste ich zur Kenntnis nehmen, dass die Besoldungserhöhung (A12) nach 2014 bzw 2015 verschoben wurde. Ein kleiner Hinweis zum Nachdenken: Seit 1978 unterrichte ich mit vollem Deputat an einer Mannheimer(Haupt-) Werkrealschule in einem sogenannten Sozialen Brennpunkt. Eine derartige Würdigung(Verschiebung der Gehaltsanpassung) finde ich, vorsichtig beschrieben, eine Missachtung der Leistung vieler Lehrerinnen und Lehrer und anderer BeamtInnen des Landes BW. Sollte sich an diesem Sachverhalt(Gesetzesvorhaben im Sommer) nichts ändern, werden Sie und Ihre Partei zukünftig auf allen Ebenen auf meine Stimme verzichten. Sicher haben Sie großes Verständnis für das Anliegen, denn es betrifft ja eine recht große Zahl. Dass ich auf eine Erhöhung, aufgrund der vielfältigen Teuerungen, gehofft hatte, findet gewiss Ihre Zustimmung.
Für eine Beantwortung bedanke ich mich höflichst.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Offergeld
Sehr geehrter Herr Offergeld,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ihren Unmut kann ich gut nachvollziehen. Als Lehrer leisten Sie einen wichtigen und wertvollen Beitrag für unser Bildungssystem in Baden-Württemberg. Seien Sie versichert, dass die Entscheidung, die Tariferhöhung in voller Höhe jedoch mit zeitlicher Verschiebung auf die Beamtinnen und Beamte zu übertragen, kein Zeichen mangelnder Wertschätzung Ihrer Arbeit ist.
In Baden-Württemberg stehen wir vor der Herausforderung, dass wir bis zum Jahr 2020 ein jährliches strukturelles Defizit von rund 2,5 Milliarden Euro abbauen müssen. Um dies zu erreichen, sind in allen Bereichen Einsparungen notwendig. Viele Ausgaben sind durch europäisches Recht, Bundes- oder Landesgesetze gebunden und können nicht beliebig reduziert werden. Dies gilt zum Teil auch für den Personalkostenanteil von rund 44 Prozent des Haushaltsvolumens. Erschwerend kommt hinzu, dass die Länder fast keine Steuererhebungsrechte haben, also Einnahmen auch nicht selbst relevant erhöhen können.
Die inhaltsgleiche, aber zeitlich verschobene Übertragung der Tarifergebnisse auf die Beamtenschaft halten wir für einen gangbaren Weg der notwendigen Haushaltskonsolidierung und den Interessen der Beamtenschaft. Die Mehrausgaben durch die Übertragung des Tarifergebnisses mit sozial gestaffelten, zeitlichen Verschiebung führen bis zum Jahr 2016 zu Mehrausgaben von 143 Millionen Euro für den Landesbereich. Eine zeitgleiche Übertragung hätte alleine für 2013/2014 Mehrausgaben von 972 Millionen Euro bedeutet - und dies nur für den Bereich der Beamtenschaft. Damit würde das jährliche strukturelle Defizit weiter anwachsen. Dies halten wir vor dem Hintergrund der Schuldenbremse für nicht vertretbar.
Der Beamtenbund hat laut Presseberichten errechnet, dass mit der zeitlichen Verschiebung ein Justizwachtmeister in den Jahren 2013 und 2014 brutto insgesamt 815 Euro weniger verdienen würde als sein angestellter Kollege. Zu beachten ist allerdings, dass Angestellte im Vergleich zu Beamten in der gleichen Besoldungsgruppe monatlich deutlich weniger Nettoeinkommen zur Verfügung haben, denn sie müssen von Ihrem Bruttogehalt den Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung bezahlen. Vergleicht man daher nicht die Auswirkungen der Erhöhung auf das Bruttoeinkommen, sondern auf das Nettoeinkommen bei angenommenen 2100 Euro Bruttoverdienst (Steuerklasse 1 und ledig), beträgt der Unterschied zwischen dem Beamten und dem Angestellten lediglich 94 Euro in 24 Monaten – also rund 3,92 Euro pro Monat.
Ich verstehe sehr gut, dass es aus Ihrer Sicht vorteilhafter gewesen wäre, den Tarifabschluss auch zeitgleich zu übertragen. Durch die zeitliche Verschiebung und die soziale Staffelung konnten aber viel weiter gehende Einschnitte in die Besoldung, wie sie etwa jetzt in Nordrhein-Westphalen (NRW) entschieden wurden, für Baden-Württemberg vermieden werden.
Aus Solidarität mit der Beamtenschaft hat die GRÜNE Landtagsfraktion vorgeschlagen, dass die Abgeordneten die automatische Anpassung ihrer Diäten zum 1. Juli ebenfalls um 12 Monate zeitlich nach hinten verschieben. Die Abgeordneten würden so im Jahr 2013 auf die Erhöhung ihrer Diäten verzichten. Dies würde für alle 138 Abgeordneten zusammen einen Betrag von ca. 30.000 Euro im Jahr einsparen. Obwohl dies sicherlich kein großer Konsolidierungsbeitrag für den gesamten Landeshaushalt ist, befürworten die GRÜNEN Abgeordneten diesen freiwilligen Verzicht aus Gründen der Solidarität mit Ihnen, den Beamtinnen und Beamten, ausdrücklich. Wir werden schnellstmöglich Gespräche mit den anderen Fraktionen aufnehmen und hoffen, dass diese sich unserem Vorschlag anschließen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Raufelder