Frage an Wolfgang Methling von Michael P. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Methling,
wie es scheint, stellen Sie sich der historischen Wahrheit und der Verantwortung der SED.
Sie schreiben selbst, dass Sie politisches SED-Verfolgungsunrecht so weit wie möglich wieder gutmachen möchten.
Die Ihnen sicherlich gut bekannte PDS-Aktivistin Rosi Blaschke ließ im Parteiorgan Disput / Ausgabe Juni 1998 folgendes verlautbaren:
Natürlich waren nicht alle Großgrundbesitzer Naziaktivisten. (...) Um so schmerzlicher empfunden werden Ungerechtigkeiten und Übergriffe, die das demokratische Ziel der Bodenreform beschädigten. (...) Solches Unrecht muß und wird wiedergutgemacht werden.
Herr Professer Dr. Methling, ich frage Sie konkret:
1. Würden Sie die Aussage Ihres Parteimitglieds Rosi Blaschke mittragen?
2. Würden Sie mir zustimmen, dass auch redliche und NS unbelastete Landwirte und Mittelständler zum Opfer einer klassenkämpferischen politischen Verfolgung, Vertreibung, Deportation oder gar Ermordung wurden?
3. Würden Sie mir zustimmen, dass o. g. Maßnahmen gegen redliche Menschen i.R.d. Boden- und Industriereform eindeutig strafrechtlichen Charakter hatten?
4. Würden Sie mir zustimmen, dass auch bereits verstorbene Opfer der Boden- und Industriereform geschützte Persönlichkeitsrechte besitzen?
5. Würden Sie mir zustimmen, dass zu Unrecht als Nazi und Kriegsverbrecher diffamierte- und strafrechtlich verfolgte Mitbürger rehabilitiert werden müssen?
6. Würden Sie mir zustimmen, dass die Gesetzesnorm, die diese überfällige Rehabilitierung gebietet (§ 1 Abs. 5 StrRehaG) geltendes Recht der BRD ist und damit auch anzuwenden ist?
Sie tragen politische Verantwortung in MV; bitte setzen Sie sich für diese überfällige StrReha ein; -was wäre schlecht daran, Herr Professor?
MfG
M. Pfeiffer
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
ich darf noch einmal versichern, dass es nicht nur so "scheint" - wie Sie schreiben - dass sich meine Partei der historischen Wahrheit und der Verantwortung der SED stellt.
Es war 1989/90 Gründungskonsens, dass politisches Verfolgungsunrecht, für das die SED verantwortlich war, so weit wie möglich wieder gutgemacht werden muss.
Daran hält die Linkspartei.PDS auch heute voll inhaltlich fest. Und auch ich als ihr Spitzenkandidat habe keine andere Auffassung. Somit teile ich selbstverständlich auch die von Ihnen dargelegte Meinungsäußerung von Frau Rosi Blaschke.
Die Linkspartei.PDS vertritt grundsätzlich die Auffassung, dass Menschen, die unschuldig, grundlos und rechtswidrig Opfer von politischer Gewalt wurden, rehabilitiert werden müssen (soweit dies freilich im Nachhinein überhaupt nochmöglich ist). Dazu gehören "vergessene" Opfer des Faschismus, aber auch Opfer des Kalten Krieges - und zwar auf beiden Seiten. Beispielsweise sind die Opfer des KPD-Verbots von 1956 bis heute nicht rehabilitiert.
Nun zu Ihren Fragen:
1. Die Äußerung von Rosi Blaschke teile ich.
2. Ihre Darstellung entspricht der Wahrheit, wobei allerdings die Facetten von Einzelfällen und bedauernswerten Schicksalen außerordentlich differenziert sind und sich kaum mit generalisierenden Schlagworten fassen lassen.
3. Eine generelle Einschätzung über einen strafrechtlich relevanten Charakter des damaligen Geschehens maße ich mir nicht an. Bekanntlich betrifft und untersucht Strafrecht jeweils die konkrete Einzeltat. Strafrecht eignet sich jedenfalls grundsätzlich nicht als Instrument zur Geschichtsaufarbeitung.
4. Selbstverständlich ist es eine Frage der Redlichkeit, den toten Opfern Ehre und Respekt zu erweisen. In diesem Sinne haben sie Persönlichkeitsrechte.
5. Die Linkspartei.PDS hat niemals etwas anderes vertreten, jetzt nicht - und auch vorher als PDS bzw. SED/PDS - nicht.
6. Die Linkspartei.PDS ist eine Partei, die für Rechtsstaatlichkeit eintritt. Selbstverständlich kann für strafrechtliche Maßnahmen, die formell keine gerichtliche Maßnahmen waren (§ 1 Abs. 5 StrRehaG) nichts anderes gelten: Das Recht muss angewendet werden.
Zusammenfassend kann ich nur noch einmal sagen, dass die Linkspartei.PDS jederzeit dafür eintritt, mögliche Gesetzeslücken schließen zu helfen und selbstverständlich auch bereit ist, für Abhilfe zu sorgen, wenn Gesetze nicht oder nur teilweise eingehalten werden. Natürlich muss dabei gesehen werden, was auf Bundesebene und was auf Landesebene zu lösen ist, was hierzulande machbar ist und was nicht.
Vielleicht überzeuge ich Sie von der Ernsthaftigkeit der Linkspartei.PDS, wenn ich Ihre Aufmerksamkeit darauf lenke, dass die PDS bereits 1998 einen "Gesetzentwurf über die Rehabilitierung und Versorgung von Opfern von Staatsunrecht sowie von politischer Gewalt" in den Landtag M-V eingebracht hatte, der von dem ganzheitlichen Ansatz ausging, dass all Jene, die unschuldig und rechtswidrig Opfer von politischer Gewalt und Staatsunrecht geworden sind, voll und ganz rehabilitiert werden müssen: moralisch, rechtlich und materiell. (Die entsprechende Gesetzesvorlage finden Sie als Landtagsdrucksache unter der Nummer 2/3461.)
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Methling