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Wolfgang Hellmich
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Frage von Birgit D. •

Frage an Wolfgang Hellmich von Birgit D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Hellmich,

mit Fassungslosigkeit habe ich gerade gelesen, dass Sie auch für die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Das ist ein Skandal. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass auch die SPD eine Tierquäler-Partei ist. Das ging schon mit dem Koalitionsvertrag los, indem sich die SPD gemeinsam mit CDU/CSU darauf geeinigt hat, Tierschützer, die in Ställe „einbrechen“ (um Missstände aufzudecken!), härter bestrafen zu wollen. Im September hat die SPD zusammen mit CDU/CSU zwei verschiedene Anträge von FDP und Grünen zu Verschärfungen bei Tiertransporten abgelehnt. Und nun diese unselige Fristverlängerung!

Genau dieses "Weiter-So-für-die-Wirtschaft-koste-es-was-es-wolle" ist der Grund dafür, dass der SPD die Wähler in Scharen weglaufen.

Bitte erläutern Sie mir Ihre ganz persönlichen Beweggründe, warum Sie dafür gestimmt haben, dieses qualvolle Prozedere beibehalten zu wollen.

Und kommen Sie mir nicht mit einer vorformulierten Textwüste von Ihrem SPD-Kollegen Rainer Spiering. Und auch nicht mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze (ich weiß, eine makabre Wortwahl in Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Tierschutz). Wenn Geschäftsgrundlagen ethisch nicht vertretbar sind und zu gesundheitlichen Gefahren von Mensch, Tier und Umwelt führen, dürfen Arbeitsplätze kein Argument mehr sein.

Mich interessiert wirklich, ob Sie als Politiker noch Empathiefähigkeit für andere Lebewesen haben, und wie Sie persönlich zum Thema Tierschutz stehen.

Mit freundlichen Grüßen,
B. D.

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Sehr geehrte Frau D.,

vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de. Gerne beantworte ich Ihre Frage zur Fristverlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration.

In Ihrem Schreiben bringen Sie Ihre Enttäuschung und Fassungslosigkeit über die Fristverlängerung zum Ausdruck. Die Frustration über eine weitere Verlängerung der Kastrationspraktik ist verständlich.
Seit 2013 war allen Schweinehaltern bekannt, dass zum Jahresende 2018 die betäubungslose Ferkelkastration verboten sein wird. Das zuständige Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung hat in den fünf Jahren jedoch wenig Bestrebungen gezeigt, durchführbare und zugleich wirklich betäubende Alternativen zur bisherigen Praxis einzuführen.

Stattdessen wurde auf Zeit gespielt. Im Oktober 2018 stand ich vor der schwierigen Entscheidung, für die fristgerechte Umsetzung der Gesetzesänderung zu stimmen, oder für eine weitere Verlängerung des Gesetzes um maximal zwei Jahre. Die Umstrukturierung eines Zuchtbetriebs braucht Zeit und umfassende Schulungen. Da die Übergangsfrist weder vom Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung, noch von den betroffenen Verbänden oder dem Einzelhandel effektiv genutzt wurde, sind vor allem kleine und mittlere Zuchtbetriebe nicht in der Lage, ihre Kastrationspraktik zu ändern, in Gerätschaften zu investieren oder sich in alternative Methoden schulen zu lassen. Eine sofortige Umsetzung des geänderten Tierschutzgesetzes wäre an der fehlenden Durchführbarkeit gescheitert. Kleine Zuchtbetriebe wären bei ausfallender Ferkelzucht in ihrer Existenz bedroht. Wenn jedoch weniger Ferkelzüchter in Deutschland arbeiten können, werden mehr Ferkel aus dem europäischen Ausland importiert werden. Eine Änderung des Gesetzes zum Tierschutz in Deutschland greift aber nur bei deutschen Zuchtbetrieben.
Um endlich einen Paradigmenwechsel in der Tierhaltung zu erreichen, hat die SPD in den Verhandlungen durchgesetzt, dass am 31. Dezember 2020 die betäubungslose Kastration von Ferkeln endgültig eingestellt wird. Um zu verhindern, dass die Übergangsfrist bis 2020 wieder ungenutzt verstreicht, hat die SPD-Bundestagsfraktion das Bundeslandwirtschaftsministerium gesetzlich verpflichtet, bis zum 30. Mai 2019 eine Verordnung über die Sachkunde und den Einsatz von alternativen Methoden zur Ferkelkastration vorzulegen. Damit können sich die Betriebe auf neue Möglichkeiten der Kastration einstellen. Zur Unterstützung der Zuchtbetriebe wird über die Verfahren der Ebermast und Impfung (Immunokastration) informiert. Damit erhalten diese Verfahren eine Chance zur Umsetzung am Markt. Vor allem kleine und mittelgroße Betriebe werden darüber hinaus bei der Anschaffung von Narkosegeräten durch ein Informationsprogramm und eine Förderung unterstützt. Die Betäubung der Ferkel durch Masken nach den hohen Standards von Neuland soll die praxistaugliche, bundesweite Alternative zur bisherigen Kastration werden.

Diese von uns ergriffenen Maßnahmen garantieren, dass endlich flächendeckend praktikable Alternativen zur betäubungslosen Kastration zur Verfügung stehen.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die sich seit Jahren für eine artgerechtere Tierhaltung einsetzt, begrüßt ausdrücklich die von der SPD erreichten Maßnahmen.
In einem Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf fordert die SPD außerdem weiterführende Maßnahmen zur artgerechteren Tierhaltung. Das Kupieren von Ringelschwänzen, die Enthornung bei Rindern und das Töten von Eintagsküken soll ein Ende haben. Bis Mitte der Legislaturperiode soll das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Strategien für die artegerechtere Nutztierhaltung erbringen.
Mit diesen Forderungen ergreifen wir konkrete Maßnahmen für einen Paradigmenwechsel in der Nutztierhaltung. Aus diesen Gründen habe ich Ende 2018 für eine letzte Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt. Eine Entscheidung, die ich mir nicht leicht gemacht habe und die ich Ihnen hoffentlich ein wenig näher bringen konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Hellmich, MdB

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