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Frage von Luis Alberto Fernández V. •

Frage an Wolfgang Gerhardt von Luis Alberto Fernández V. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Abgeordneter,

viele von der FDP tun, handeln und sprechen so, als ob es keine armen Menschen auf der Welt geben würde. Sie reden anonymisiert und abwertend von „sozial Schwachen“ (nicht einmal von „wirtschaftlich Schwachen“).

Das erweckt den Anschein, daß der Liberalismus nur für reiche Menschen geeignet oder für diejenigen bestimmt ist, welche die Plutokratie befürworten. Es können dabei Menschen sein, die sich für Untertanen und nicht für Bürger halten, welche eine derartige Regierungsform und Wirtschaftsordnung unterstützen. Diese Menschen huldigen den Reichen, aber sie selbst sind arm. Die Reichen sind dann ihre sogenannten „kultischen Anbetungsobjekte“ (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Plutokratie ). Denn die Reichen sind halt jene Menschen, die Erfolg in dieser Welt haben. Es wird also der Erfolgreiche als Götzenbild in Anspruch genommen.

Demnach bräuchten arme Menschen keine Freiheit, weil sie in Deutschland als Obrigkeitsstaat feudalen Charakters u.U. nicht frei werden können oder dürfen.

Können Sie eine Botschaft an Menschen ausrichten, die ihr Leben nicht selbst bestreiten können und in absehbarer Zeit nicht bestreiten werden? Kann der Liberalismus so, wie Sie ihn verstehen, auch den Armen zum Vorteil gereichen?

Oder ist Freiheit ausschließlich materialistisch zu verstehen, die keine Rücksicht auf andere Formen der Abhängigkeit – wie z.B. durch Drogen, aber auch durch Weltanschauungen und dogmatische Geisteshaltungen – nimmt? Können Menschen wenigstens geistig frei, ohne materiell frei sein zu müssen, oder hat Freiheit nur einen materiellen und keinen geistigen, geschweige denn seelischen Aspekt?

Für eine gründliche Beantwortung wäre ich Ihnen äußerst verbunden.

Mit freundlichen Grüßen

Luis Fernández Vidaud

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Vidaud,

vielen Dank für Ihre Anfrage.
Um gleich zu Ihrer zentralen Frage zu kommen: Für mich ist Freiheit auf keinen Fall nur wirtschaftlich, oder wie Sie es schreiben materialistisch zu verstehen. Freiheit, so habe ich in einem Papier geschrieben, darf nicht metallisch klingen. Es geht um die kulturelle Gestalt einer freiheitlichen Bürgergesellschaft, um zivile Qualität, ökonomische Kompetenz und soziale Sicherheit. Nur daraus kann ein Selbstvertrauen entstehen, das zur ewigen deutschen Orientierung an Obrigkeit und Staat eigenes Gewicht setzt.
Natürlich ist wirtschaftliche Freiheit eine wesentliche Grundlage dafür, dass die Menschen ihre persönliche Freiheit in vollem Umfang leben können. Internationale Studien zeigen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an wirtschaftlicher Freiheit und der allgemeinen Lebensqualität in den Ländern der Welt gibt. Die von Ihnen erfragte Botschaft an die Menschen, die ihr Leben nicht selbst bestreiten können, muss und kann für Liberale nur sein, dafür zu sorgen, dass diese Menschen zur eigenverantwortlichen und selbstverantworteten Lebensführung befähigt werde - durch mehr Bildungschancen, durch Fairness in den sozialen Systemen, durch ein gerechteres Steuersystem - insgesamt durch mehr Lebenschancen, wie es der große liberale Vordenker Ralf Dahrendorf genannt hat. Das ist der größte Unterschied zwischen Liberalen und allen anderen politischen Richtungen: das Vertrauen in die Menschen, in ihre Kraft und ihre Fähigkeiten, und der Verzicht auf paternalistische und bis zur Unmündigkeit betreuende "fürsorgliche Bevormundung". Als Bürger, nicht als Untertanen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang Gerhardt MdB