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Frage von Jürgen H. •

Frage an Wolfgang Gerhardt von Jürgen H. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

bitte beantworten Sie folgende 4 Fragen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrungen in der Politik, nicht zuletzt auch aus Ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter, die Thematik vertraut ist.

1. Trifft es zu, dass das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) von den Vertragspartnern des Einigungsvertrages vom 31.08.1990 ausschließlich für die Bürger und Versicherten des Beitrittsgebietes bestimmt wurde, um deren Rentenbelange nach der Wiedervereinigung zu regeln?

2. Waren Ihrer Meinung nach die Deutschen, die vor dem Mauerfall und Wiedervereinigung die DDR verlassen haben und rechtsstaatlich in die alten Bundesländer eingegliedert wurden, zum Zeitpunkt des Beitritts der DDR als DDR-Bürger anzusehen?

3. Die ehemaligen DDR-Flüchtlinge wurden im Zug ihrer Eingliederungsverfahren nach geltendem Recht (Fremdrentenrecht) in die bundesdeutschen Sozialversicherungen übernommen. Die Rentenversicherungsträger haben den Versicherten darüber entsprechende Bescheide erteilt. Können Sie ein Gesetz nennen, das nach erfolgtem Beitritt der DDR die Löschung dieser Rentenanwartschaften und eine Neubewertung nach dem RÜG zulässt bzw. sogar verlangt? Können Sie ein Gesetz nennen, das die Versicherungsträger aus der Pflicht entlässt, die betroffenen Versicherten darüber zeitnah zu informieren, also auf die Versendung entsprechender Aufhebungsbescheide zu verzichten?

4. Der Bundestag ist lt. Grundgesetz der Gesetzgeber. Die Gesetzesvorlagen werden in der Regel von Fachleuten aus den einschlägigen Ministerien erstellt. Gesetzeskraft erhalten diese nach der Verabschiedung durch den Bundestag.
Halten Sie es für vertretbar, dass die Exekutive nach der Verabschiedung eines Gesetzes dieses Gesetz eigenmächtig auf eine weitere Zielgruppe anwendet, die bei der Debattierung und Verabschiedung des Gesetzes ausdrücklich ausgeschlossen wurde?

Mit freundlichem Gruß,
Dr.-Ing. Jürgen Holdefleiß,
Verein IEDF e. V.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Dr. Holdefleiß,

haben Sie verbindlichen Dank für Ihre Mail, die ich wie folgt beantworte:

Wie Sie wissen, hat sich die FDP-Bundestagsfraktion seit längerem mit der rentenrechtlichen Behandlung von Übersiedlern aus der DDR vor 1990 beschäftigt. Unter anderem haben wir uns mit der kleinen Anfrage „Rentenberechnung für Übersiedler“ (BT-Drs. 16/5571) und mit einer schriftlichen Frage des Kollegen Dr. Max Stadler MdB an die Bundesregierung gewandt.

Mir sind keine konkreten Hinweise zum Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR bekannt, welche den Willen der Vertragspartner im Hinblick auf den Geltungsumfang des Rentenüberleitungsgesetzes erkennen lassen. Sicherlich hatten die Vertragspartner in erster Linie die rentenrechtliche Behandlung der in der damaligen DDR wohnhaften Bürgerinnen und Bürger vor Augen.

Noch beim Abschluss des Staatsvertrags zwischen der Bundesrepublik und der DDR vom 18. Mai 1990 ging man vom Fortbestehen zweier Staaten aus, weshalb auch die rentenrechtliche Behandlung von bereits übergesiedelten Versicherten nicht thematisiert wurde. Im später folgenden Einigungsvertrag war es hingegen ein wesentliches Anliegen, eine in Deutschland einheitliche Geltung des Rentenrechts nach der Regelungssystematik des SGB VI herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtung des Wortlauts von Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages ist jedenfalls nicht zu erkennen, warum diese Regelung und auf ihrer Grundlage zu erlassende Bundesgesetze nicht auch auf sog. Bestandsübersiedler anzuwenden sind.

In der Folge sind mehrere Bundesgesetze erlassen worden, die die Überleitung von Renten in den Anwendungsbereich des SGB VI regeln, darunter das Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) und das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (Rü-ErgG). Das RÜG regelt in § 1 den Kreis der Anspruchsberechtigten. Zu den Voraussetzungen gehört, dass die Personen am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten. Daneben sah § 259 a SGB VI in der Fassung des RÜG aus Vertrauensschutzgründen die weitere Anwendung der Tabellenentgelte nach dem Fremdrentengesetz für Renten vor, die vor dem 1. Januar 1996 beginnen. Lediglich die nach diesem Stichtag erfolgenden Rentenzugänge sollten dem RÜG unterfallen.

Mit dem Rü-ErgG ist § 259 a SGB VI zum 1. Januar 1992 dahingehend geändert worden, dass die Tabellenentgelte nach dem Fremdrentenrecht nur noch für die rentennahen Jahrgänge gelten, also für die vor dem 1.1.1937 geborene Versicherten. Das Eingreifen oder Nichteingreifen dieser Vertrauensschutzregelung hat auch keine Auswirkungen auf die Behandlung von Bestandssiedlern als Bundesbürger oder DDR-Bürger. Insgesamt waren die in die Bundesrepublik eingegliederten Übersiedler zum Zeitpunkt des Beitritts der DDR nicht als damalige DDR-Bürger anzusehen.

Die Regelung § 259 a SGB VI ist von dem Bundessozialgericht und dem Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden. Vielmehr ist festgestellt worden, dass die Stichtags- und Vertrauensschutzregelung nicht gegen den Eigentumsschutz des Artikels 14 Grundgesetzt verstößt. Die gutgeschriebenen Anwartschaften nach dem Fremdrentengesetz unterfallen nicht dem Eigentumsschutz des Artikel 14, denn die Rentenanwartschaften aus den Tabellenentgelten nach dem Fremdrentengesetz erfolgten nicht auf einer eigenen Beitragsleistung zur gesetzlichen Rentenversicherung, sondern waren in der Höhe politisch festgelegt.

In Art. 38 RÜG in der Fassung des Art. 14 des RÜG-ErgG waren die bisherigen Feststellungsbescheide über die Eingliederung der DDR-Übersiedler und Flüchtlinge dahingehend zu überprüfen, ob sie mit den zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden Rentenrecht übereinstimmen. Es handelt sich um eine Sonderreglung, wonach Aufhebung der Feststellungsbescheide in Abweichung der Vorschriften des SGB X ohne Anhörung der Betroffenen und ohne Einhaltung bestimmter Fristen mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgt.

Es besteht somit eine rechtlich wirksame Grundlage, was die rechtenrechtliche Behandlung der Anwartschaften der Bestandsübersiedler betrifft. An dieses Recht sind die Exekutive bzw. die Rentenversicherungsträger gebunden. Gegen eine falsche Rechtsanwendung ist ggf. gerichtlich vorzugehen.

Wie Sie wissen, halten wir die rentenrechtliche Situation für viele Übersiedler vor 1990 insgesamt für nicht zufriedenstellend und haben deshalb einen Lösungsvorschlag erarbeitet, der sich an diejenigen Bestandsübersiedler richtet, deren Rentenanwartschaften durch die Rechtsumstellung verringert wurden. Unser Antrag (BT-Drs. 16/11236) ist von der Mehrheit des Deutschen Bundestages abgelehnt worden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang Gerhardt MdB