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Wolfgang Gehrcke-Reymann
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Frage von Jens T. •

Frage an Wolfgang Gehrcke-Reymann von Jens T. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Gehrcke,

mich interessieren einige Fragen aus dem Bereich Familienpolitik mit Relation zur Justiz.

Mein Bild einer gleichberechtigten Ehe verträgt sich nicht mit der derzeitigen implementierten Rechtsinstitution.
Es ist für mich verständlich, daß sich Mann und Frau nach Eheschließung in der Standard-Gütergemeinschaft "Zugewinngemeinschaft" befinden und nach einem Scheitern der Ehe den gemeinsam erwirtschafteten Zugewinn hälftig teilen.
Nicht verständlich ist für mich die Verpflichtung des besser verdienenden Ehepartners, nach aufgelöster Ehe via Ehegatten- und Aufstockungsunterhalt eine "Quasi"-Lebensstandardgarantie für den geringer verdienenden Partner zu realisieren.
Hier ist erschwerend zu berücksichtigen, daß zudem die eigentlich juristisch vorhandene "Erwerbsobliegenheit" des geringer verdienenden Partners in unserer Rechtswirklichkeit oft nicht zum Zuge kommt, da mit einigem Geschick leicht aushebelbar.
Gerade aber der Aufstockungsunterhalt ist mit einer modernen Auffassung von zwei souveränen Partnern, die sich zusammentun kaum vereinbar.
Wenn ich als leistungfähiger Gutverdiener eine Catering-Servicekraft heiratete, erwürbe meine Frau qua Heirat den Anspruch auf nahezu die Hälfte meines Gehaltes (Langzeitehe >3 Jahre vorausgesetzt). Das ist ja zu Ehezeiten auch richtig und gewollt - nach einer Scheidung aber eben nicht mehr. Der oft kolportierte Grund hierfür: Die Frau hätte "sozusagen hälftig" dazu beigetragen, daß mein Einkommen so hoch sei. Dies ist doch einfach lächerlich und offenbart nichts weiter als die klischeehafte Vorstellung, meine Frau würde "mir zu liebe" zurückstecken. Wo aber wird die Frau denn behindert?

Für mich ist das der Grund, warum ich selbst niemals eine Ehe eingehen kann, da ich mich auf Gedeih und Verderb dem Goodwill einer Frau auszuliefern würde.
Meine Freundin ist Servicekraft in einer Cateringgesellschaft, ich selbst bin IT-Consultant. Natürlich will ich alles für sie geben - auch mein Geld für eine gemeinsame Zukunft. Wenn ich jedoch davon ausgehen muß, daß ich nach einem natürlich nicht ersehnten Scheitern einer evtl. geschlossenen Ehe ewiger Unterhaltssklave sein kann, so ist dieser implizite Vertrag eigentlich nach gutem Rechtsverständnis "sittenwiedrig", denn i.a. wird kein Mann vom Standesbeamten auf diese Gefahr aufmerksam gemacht (schließlich trifft es meistens Männer).

Die erste Frage also lautet: Planen Sie, den grenzenlos überkommenen Aufstockungs-Unterhalt an Ehepartner abzuschaffen und den Ehegattenunterhalt ansonsten so weit zu reformieren, daß er
1. maximal in der Höhe des letzten Einkommens des berechtigten Ehepartners liegt und
2. nur während eventuell zu leistender Kinderbetreuungszeiten fällig wird also bis zum 8. Lebensjahr des jüngsten gemeinsamen Kindes

Die zweite Frage hierzu: Setzen Sie sich dafür ein, daß Väterrechte gestärkt werden und beispielsweise eine Mutter das Aufenthaltbestimmungsrecht (ABR) zu Gunsten des Vaters verwirkt bei Vorenthaltung der väterlichen Umgangsrechte und setzen sie sich dafür ein, daß die Rechtswirklichkeit bei der gerichtlichen Zuordnung des ABR dem Gebot der Gleichheit der Geschlechter näher kommt, anstatt die klischeehafte Vorstellung zu stärken, Kinder gehörten qua "Gewohnheitsrecht" zur Mutter und Väter haben zu zahlen?

Die dritte Frage betrifft das von Frau Zypries geplante Verbot anonymer Vaterschaftstests.
Dies ist ja wohl unglaublich. Es kann doch wohl nicht sein, daß ein Vater nicht auch gegen den Willen der Mutter anonym feststellen lassen lann, ob das Kind für das er bezahlt auch seines ist.
Die Persönlichkeitsrechte des Kindes hier vor zu schieben ist eine Unverschämtheit. Die Mutter ist im Falle eines Betruges nicht Sachwalter der Interessen des Kindes sondern nur ihres eigenen und das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammeung bleibt ohnehin vor.
Das zudem eine Abwägung der Rechte des Mannes gegen die der Kindes bei der finanziellen Tragweite einer unberechtigten Erschleichung einer Unterhaltrechtes gering gewichtet werden bleibt mir ein Rätsel.

Die zweite Frage lautet demnach: Setzen sie sich für ein Recht von vermeintlichen Vätern ein, ihre Vaterschaft auch 1. anonym feststellen zu lassen und
2. diesen anonym durchgeführten Test als zulässigen Grund für eine gerichtliche Vaterschaftsanfechtungsklage festzulegen?

Ich hoffe auf Ihre Antworten und lasse an dieser Stelle natürlich keinen Zweifel daran, daß diese Antworten mein Wahlverhalten bestimmen.
Gleichzeitig bitte ich sie um Einwilligung, ihre (natürlich ungekürzte) Antwort zusammen mit den von mir gestellten Fragen (ebenfalls ungekürzt) in einem Forum zur Gleichberechtigung der Geschlechter zu veröffentlichen.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Thole

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Thole,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an den Positionen der Linkspartei.PDS.

Als erstes möchte ich anmerken, dass die Ehe kein Geschäft ist, bei dem mann/frau vom Standesbeamten auf die Risiken und Nebenwirkungen hingewiesen wird, um notfalls gegen den Mann klagen zu können, wenn die Ehe gescheitert ist. Wie in allen Lebenslagen ist es unerlässlich, sich über die Folgen seiner Entscheidung vorher zu informieren und wenn Sie der Meinung sind, unter den gegenwärtig herrschenden Gesetzen nicht heiraten zu wollen, ist das Ihre persönliche Entscheidung.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen keine individuelle Beratung dafür zukommen lassen können, wie Sie Ihre persönlichen Verhältnisse mit Ihrer Freundin oder Lebensgefährtin gestalten sollten. Wir haben allerdings eine politische Haltung zum Unterhalt nach der Ehe.

Es gilt das Verfassungsgebot zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Allerdings ist dieses Gebot noch längst nicht Realität, zu oft gibt es noch ein überkommenes Rollenverständnis – ganz abgesehen von den Verhältnissen beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt. Wenn es eines Tages für Frauen selbstverständlich ist, über ein existenzsicherndes Einkommen zu verfügen und Männer sich nicht mehr in der Position des alleinigen Familienernährers wiederfinden, werden sich auch die Folgen nach einer Trennung ändern.

Die Linkspartei.PDS setzt sich für eine individuelle Absicherung jedes Menschen ein. Wir stehen für die Einführung einer bedarfsorientierten sozialen Grundsicherung und die Einführung einer Mindestrente. Wir wollen das Ehegattensplitting abschaffen und die Individualbesteuerung durchsetzen. Außerdem wollen wir den nachehelichen Ehegattenunterhalt zeitlich begrenzen und die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt durch ein verbindliches Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft durchsetzen. Dies alles sind Maßnahmen, die dazu führen werden, dass die Abhängigkeit zwischen Ehepartnern beendet wird.

Es muss ohne größere Probleme möglich sein, ein selbstbestimmtes Leben auch mit seinen Höhen und Tiefen leben zu können. Trennungen, Scheidungen, Zweit- und Patchworkfamilien sind nun einmal Realität, der Rechnung getragen werden muss. Die Politik muss sich um die Absicherung derjenigen kümmern, die diese Hilfe benötigen - also um Kinder und Pflegebedürftige. Das Ehegattenmodell, nach der die Ehefrau zur Kindererziehung und zur Führung eines Haushalts zu Hause bleibt, ist nicht mehr die Regel. Vielmehr erwerben Frauen i.d.R. eine eigene Existenzsicherung durch Erwerbsarbeit. Die Linkspartei.PDS setzt sich dafür ein, dass jeder Mensch mindestens einen Anspruch auf eine existenzsichernde bedarfsabhängige Grundsicherung erhält (existenzsicherndes Arbeitslosengeld II oder Grundrente mit Mindestbetrag) - damit erübrigen sich Ehegattenansprüche untereinander (wodurch sich übrigens auch Abhängigkeitsverhältnisse unter Eheleuten auflösen).

Gleichberechtigung heißt, Beruf und Erwerbsarbeit, Familien- und Erziehungspflichten gleichberechtigt wahrzunehmen. Wie sich die Entwicklung von Lebenspartnern, von Müttern und Vätern in einzelnen Phasen ihres Lebens gestaltet, sollte ihnen selbst überlassen werden. Wenn Sie sich also mit Ihrer Freundin so geeinigt haben, dass Ihre Freundin für ein gepflegtes Heim sorgt und dafür mehr Zeit und Gedanken investiert, ist das ein Beitrag dazu, dass Sie sich wohlfühlen, Ihre Arbeitskraft auf Ihre Berufstätigkeit konzentrieren können und sich nicht so häufig mit den "niederen Dingen des Lebens" wie Hemden bügeln oder Bad putzen beschäftigen müssen. Für dieselbe Dienstleistung zahlt man eine Menge Geld, wenn man keine Freundin hat, die das freiwillig übernimmt.

Mit der Kindererziehung ist das in Familien ähnlich gelagert. Sie entscheiden gemeinsam mit Ihrer Partnerin über diese Rollenverteilung und wenn Sie mit Ihrer Freundin ein gleichberechtigtes Verhältnis leben, gibt es an einem möglicherweise bitteren Ende auch keine Frage, wie Unterhalt zu zahlen ist.

Aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Leben müssen für Männer und Frauen in allen Teilen Deutschlands gegeben sein. Dazu gehört z.B. ein Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen, dass es allen Menschen ermöglicht, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Damit ist nicht der „bayrische Kindergarten“ gemeint, in dem man/frau seine Kinder von 9.00 bis 12.00 Uhr betreuen lassen kann und wenn man Glück hat, darf man die Kinder nach dem zu Hause zubereiteten und eingenommenen Mittag für drei weitere Stunden hinbringen. Hier erklärt sich von selbst, dass für Frauen keine gleichberechtigten Berufs- und Lebenschancen bestehen.

Dazu gehört auch, dass in dieser Gesellschaft Schluss sein muss mit unterschiedlichen Gehältern für gleiche Tätigkeiten und Leistungen, abhängig vom Geschlecht. Das ist die Realität in unserem Land und wir können nicht die Augen davor schließen, wenn wir über die komplexe Frage von gleichberechtigtem Leben in der Partnerschaft diskutieren und dabei über den Aspekt des Unterhalts nach einer Ehe reden.

Bekanntlich gibt es zwischen Ost und West noch große Unterschiede. Für Frauen und Männer mit Ostsozialisation ist die Berufstätigkeit, auch in hochqualifizierten Berufen, von Frauen viel selbstverständlicher als im Westen Deutschlands. Und damit verbunden ist auch die finanzielle Unabhängigkeit der Partner voneinander, die es ihnen ermöglicht, im Falle einer Trennung ohne große gegenseitige Unterhaltsansprüche gegeneinander zu leben.

Sie sehen bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage also, dass wir uns für Rahmenbedingungen für das Leben in gleichberechtigten Partnerschaften einsetzen, damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, ein Ehepartner werde „ausgeraubt“.
Übrigens: Haben Sie sich Ihre Fragen auch mal für die Situation gestellt, in der Sie der Partner mit dem geringeren Einkommen sind? Und: Wie viel verstehen Sie von Kinderbetreuung, wenn Sie in Ihrer Frage davon ausgehen, dass diese mit dem achten Lebensjahr beendet ist?

Zu Ihrer zweiten Frage:
Die Realität ist folgende: Alleinerziehende sind zu 80% Mütter. Statistisch belegt zahlt die Mehrheit der Väter entweder keinen Unterhalt oder nutzt die vielfältigen Möglichkeiten, den Unterhalt zu ungunsten der Kinder zu reduzieren. Die Mehrheit der Väter interessiert sich nachweislich nicht für das Umgangsrecht wie für die Erziehung ihrer Kinder. Dieses Umgangsrecht wird im Gegenteil oft für Machtkämpfe zwischen enttäuschten ehemaligen Partnern missbraucht und schadet immer dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern und dem Kindeswohl. Die Situation, wie Sie sie schildern, tritt dann nicht ein, wenn Eltern nach einer gescheiterten Partnerschaft die Größe und Souveränität besitzen, ein für beide Eltern und vor allem für die Kinder positives Weiterleben zu organisieren und sich gleichberechtigt an der Erziehung beteiligen.

Zu heimlichen Vaterschaftstests:

Für die Linkspartei.PDS steht das Kindeswohl an erster Stelle. In diesem Falle lehnen wir heimliche Vaterschaftstests ab, weil wir das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Kindes schützen wollen. Das legitime Recht des Vaters zur Aufklärung über seine Vaterschaft steht in diesem Abwägungsprozess zurück, da die Möglichkeit eines legalen Vaterschaftstests in drei Situationen möglich ist: Direkt nach der Geburt, mit Einwilligung der Mutter und mit Einwilligung des Kindes.

Merkwürdig ist doch, dass solche Fragen meist in einer Beziehungskrise oder nach einer Trennung auftauchen. Zu einer glücklichen Partnerschaft gehört gegenseitiges Vertrauen. Wenn Partner dieses Vertrauen verlieren, sind oft andere Gründe dafür verantwortlich als der Nachweis der Vaterschaft. Deshalb werden solche Tests auch meistens in Zusammenhang mit späteren möglichen Unterhaltsforderungen verlangt und durchgeführt. Deshalb formulieren Sie auch so treffend: „... ob das Kind, für das er bezahlt, auch seines ist. ...“ Das Kind ist eben keine Ware, für das man bezahlt hat. In einer Partnerschaft sorgen Eltern gemeinsam für das Wohl des Kindes, u.U. in verschiedener Weise. Nicht der „Verdiener“ „zahlt“, sondern beide Eltern kommen für den Unterhalt auf, sowohl in finanzieller als auch materieller Form. Oder wie sehen Sie das?

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Gehrcke