Frage an Willi Piecyk von Peter L. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Piecyk,
gerne hätte ich von Ihnen den aktuellen Sachstand des Grünbuchs Meerespolitik erfahren (wichtigste Neuigkeiten).
Viele Beschlüsse auf diversen Ebenen in ganz Europa sind nun gefällt worden, rund 500 Beiträge bei der Kommission eingegangen Konferenzen abgehalten worden (Bremen etc.), Parlament und Rat haben sich geäußert und letztendlich gibt es nun das sogenannte Blue Paper.
Auch ich bin im Mai auf der Konferenz in Bremen gewesen, habe mit StudienkollegInnen zusammen einen Beitrag an die Kommission geschrieben (EU-Projekt Martins) und war im November in Brüssel beim Blue Planet Forum.
Doch politisch verändert hat sich dadurch bisher relativ wenig (außer vielleicht der Themenbereiche, die in der Meeresschutzstrategie-RL enthalten sind).
Oder sind Sie etwa anderer Meinung - wenn ja, nennen Sie mir doch bitte kurz die aktuellen politischen Vorhaben aus dem Grünbuch auf EU-Ebene und deren Durchführbarkeit. Interessant ist vor allem, was bis zur Wahl 2009 noch angegangen werden kann...
Mit freundlichen Grüßen
Peter Lehmann
Sehr geehrter Herr Lehmann,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage vom 16. Januar 2008 bei Abgeordnetenwatch - verbunden mit einem Kompliment für Ihren Einsatz für eine Europäische Meerespolitik. Mit großem Interesse habe ich den Beitrag des MARTIN-Projektes zum Grünbuch Meerespolitik gelesen. Ihre gewählten Schwerpunkte und aufgeführten Ideenvorschläge kann ich nur unterstützen - sie finden einen Großteil dessen sogar in meinem Bericht zum Grünbuch Meerespolitik wieder.
Seit der Konferenz im vergangenen Jahr in Bremen hat sich einiges getan, gerne bringe ich sie auf den aktuellen Sachstand zum "Grünbuch Meerespolitik":
Nachdem die Kommission im Juni 2006 mit der Veröffentlichung des Grünbuchs Meerespolitik ihren einjährigen Konsultationsprozess gestartet hat, haben alle Beteiligten ihre Stellungnahmen abgegeben - so auch das Europäische Parlament mit mir als Generalberichterstatter. In einem besonderen Verfahren hat der federführende Verkehrsausschuss in verstärkter oder quasi "integrierter" Zusammenarbeit mit dem Umwelt-, Industrie-, Regional- und Fischereiausschuss kooperiert und am Ende einen umfassenden Bericht auf die Beine gestellt, der am 12. Juli 2007 vom Europäischen Parlament mit großer Mehrheit angenommen wurde. Der Bericht umfasst mehr als 80 konkrete Forderungen, die sich im groben in die Themenfelder Klimawandel, Schifffahrt, Küsten und Häfen, Meeresumwelt, Tourismus, Fischereipolitik, Energie, Forschung, Innovation und Technik einteilen lassen. Lesen sie den Bericht ausführlich auf meiner Homepage www.piecyk.eu.
Die Kommission hat danach im Oktober 2007 ihren Aktionsplan zur Meerespolitik (Blaubuch) vorgelegt. Das Europäische Parlament wird dazu erneut mit mir als Berichterstatter eine Stellungnahme abgeben, zurzeit arbeiten wir daran. Voraussichtlich wird die Stellungnahme im Mai 2008 im Plenum abgestimmt.
Der Bericht des Europäischen Parlaments vom Juli 2007 enthält meiner Ansicht nach im großen Umfang alle relevanten Forderungen für eine zukünftige Meerespolitik. Jetzt soll die erneute Stellungnahme kurz und prägnant konkrete Aktionen und Forderungen benennen. Im Abgleich mit dem vorgelegten Aktionsplan der Europäischen Kommission und dem Bericht vom Juli 2007 werden wir zum Beispiel erneut den Emissionshandel in der Schifffahrt fordern, bessere Arbeitsbedingungen für Seeleute, mehr Ausbildung für Seeleute, die umfassende Problematik in Bezug auf den Klimawandel und der Meerespolitik benennen, die Problematik der Meeresverschmutzung durch Landeinträge einbringen und die Bedeutung der Forschung betonen.
Im Aktionsplan der Europäischen Kommission werden Maßnahmen mit Durchführungsdatum benannt. Mir erscheint die Mehrzahl der Aktionen ambitioniert, aber nicht konkret genug. Es ist demzufolge nach wie vor unsere Aufgabe, bestimmt, aber mit Nachdruck, konkrete Maßnahmen von der Europäischen Kommission zu fordern, um letztlich dem ehrgeizigen Ansatz einer integrierten Europäischen Meerespolitik gerecht zu werden.
Sie sprechen in Ihrer E-Mail an, dass sich seit der Veröffentlichung des Grünbuchs politisch wenig geändert hat, dem kann man sicherlich teilweise zustimmen. Sie wissen auch, dass politische Prozesse nicht von heute auf morgen Realität werden. Wichtig ist aber, dass man anfängt - wie auch sie es, in ihrem MARTINS Papier an die Kommission, eindrucksvoll fordern. Anfügen möchte ich, dass unter portugiesischer Ratspräsidentschaft und jetzt der Slowenischen das Maßnahmenpaket zur Seesicherheit (Erika III Paket) verhandelt wird - hier ist politisch viel in Bewegung. Das haben wir so auch im Parlamentsbericht zum Grünbuch gefordert.
Sie sprechen außerdem die Meeresstrategierichtlinie an, sie ist die Umweltsäule der zukünftigen Meerespolitik. Auch wenn es zwei Dossiers sind, ist die Meeresstrategierichtlinie immer mit der Meerespolitik verknüpft und demzufolge auch deren Themenbereiche. Das wurde so festgelegt und findet sich in allen relevanten Arbeitsdokumenten wieder.
Ich bin der Meinung, dass sich eine integrierte Europäische Meerespolitik als neue Politik bereist etabliert hat bzw. beginnt sich zu etablieren. Wir können diese Bewusstseinsänderung unter anderem durch öffentliche Debatten, Veranstaltungen und Aktionen beeinflussen. Ganz nebenbei bemerkt ist auch Niedersachsen neben Schleswig-Holstein schon seit Jahren so etwas wie ein Vorreiter, wenn es um maritime Ideen und Politiken geht.
Nach Vorschlag der Kommission vom Dezember 2007 soll der 20. Mai eines jeden Jahres zum "Tag der Meere" werden. Ich unterstütze diesen Vorschlag, denn er ist ein weiterer Schritt im Bewusstseinsprozess. Wie man diesen Tag ausgestaltet, liegt ganz bei uns. Ich kann Ihnen aber mitteilen, dass schon viele gute Ideen auf dem Tisch liegen.
Seien sie versichert, dass ich alles daran setzen werde, die vorhandenen Ideen und Forderungen zusammenzufassen und immer wieder mit Nachdruck die Kommission auffordern werde, unsere Impulse anzunehmen und konkrete Gesetzesinitiativen auf die Beine zu stellen.
Herzlichst,
Ihr Willi Piecyk