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Frage von Henning W. •

Frage an Willi Brase von Henning W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Brase,

im Oktober wird der Deutsche Bundestag über die Verlängerung des ISAF Mandates beraten und entscheiden. Zugleich befürwortet der Herr Bundesminister für Verteidigung eine personelle Aufstockung.
Bei der Abstimmung am 12. Oktober 2007 haben Sie der Verlängerung des ISAF Mandates zugestimmt.
Hier nun meine Frage:
Wie werden Sie, Herr Abgeordneter Brase, auch vor dem Hintergrund, dass in dieser Woche wieder ein Soldat tödlich verletzt wurde, dass 3 weitere Soldaten der Bundeswehr Verletzungen erlitten haben, diesmal entscheiden?
Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande lehnt den ISAF Einsatz ab. Der Tagespresse war am heutigen Tage zu entnehmen, dass die Anzahl der Bewerbungen zur Bundeswehr drastisch abgenommen hat. Als einer der Hauptgründe wurde hier der Einsatz in Afghanistan genannt.
Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, Herr Abgeordneter Brase, ich könnte eine weitere Zustimmung zum ISAF Mandat nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.

Mit freundlichen Grüßen
Henning Wagener

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wagener,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 28. August 2008, in dem Sie sich zu der geplanten Abstimmung zur Verlängerung des ISAF-Einsatzes äußern. Gerne nehme ich zu Ihrem Anliegen Stellung.

Ihre Bedenken im Hinblick auf den kürzlich verstorbenen Soldaten kann ich verstehen. Ich bedaure zutiefst, dass bereits deutsche Soldaten beim Afghanistan-Einsatz umgekommen sind.

Die derzeitige Situation in Afghanistan ist von Schwierigkeiten, aber auch Fortschritten im Wiederaufbauprozess geprägt. Durch den ISAF Einsatz wurden Erfolge in der zunehmenden Funktionsfähigkeit von Regierungsstrukturen, einer Verbesserung des öffentlichen Finanzmanagements und in einer steigenden Anzahl von erfolgreichen nationalen Entwicklungsprogrammen erzielt. Aber auch im Bildungs- und Gesundheitssektor sind deutliche Fortschritte festzustellen: Fast 75% aller Jungen und 35% aller Mädchen sind mittlerweile eingeschult und 85% der Bevölkerung haben Zugang zu medizinischer Basisversorgung.

All diese Fortschritte dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in Afghanistan immer noch eklatante Defizite gibt. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt: Es muss sich weltweit steigenden Nahrungsmittelpreisen und einer drohenden Dürre in Teilen Afghanistans stellen. Weitere Schwierigkeiten in Afghanistan liegen u. a.

- in einer immer noch angespannten Sicherheitslage: Da die Zentralregierung militärisch nicht mehr zu gefährden ist, verlegen sich die regierungsfeindlichen Kräfte verstärkt auf eine Strategie des Terrors, die durch Bombenanschläge und Selbstmordattentate geprägt ist.

- in der Korruption: Rechtstaatliche Prinzipien sind zwar verankert, werden aber immer noch unzureichend angewendet und umgesetzt.

- in einer florierenden Drogenwirtschaft.

- in immer noch schweren Menschenrechtsverletzungen.

- in Bildungsdefiziten insbesondere bei Rückkehrern: Die Aufnahme und Integration der zurückkehrenden Flüchtlinge belasten Afghanistans Entwicklung. 80% der Rückkehrer haben keine Ausbildung, davon sind 55% unter 18 Jahren.

- in der Gleichstellung von Mann und Frau: Zwar wurden rechtliche Voraussetzungen für eine Gleichstellung von Mann und Frau geschaffen, aber an der Umsetzung hapert es aufgrund der unzureichenden Fähigkeit der staatlichen Institutionen, diese wirksam durchzusetzen, aber auch an kulturell verankerten Traditionen.

Die militärische Komponente ist dabei die notwendige Voraussetzung für den Wiederaufbau -- so lange, bis die afghanischen Sicherheitsorgane dazu selbst in der Lage sind. Sobald die afghanische Regierung allein für ein sicheres Umfeld zu sorgen vermag, in dem Wiederaufbau und nachhaltige Entwicklung möglich ist, kann auch die internationale Militärpräsenz in Afghanistan beendet werden. Weite Teile der afghanischen Bevölkerung haben Zweifel am Wiederaufbau und sind verunsichert über ihre persönliche Zukunft. Gerade aus diesem Grund ist es wichtig, ihr zu zeigen, dass die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft ein ernsthaftes Interesse an einem langfristigen Engagement hat. Dies bedeutet auch, dass die deutsche Truppenpräsenz im internationalen Rahmen vorerst beizubehalten ist.

Die Bundesregierung hat sich wichtige Ziele gesteckt: Sie konzentriert sich in Abstimmung mit der afghanischen Regierung und der internationalen Gebergemeinschaft weiterhin auf die Förderung staatlicher Institution und guter Regierungsführung, nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung und Einkommensschaffung, Trinkwasser- und Energieversorgung, Rechtsstaatlichkeit, Bildung, Kultur und Geschlechtergerechtigkeit. Im zivilen Bereich beabsichtigt die Bundesregierung für die Jahre 2008-2010 insgesamt mehr als 420 Mio. Euro bereitzustellen. Ich halte die zivilen Aktivitäten der Bundesregierung für sehr wichtig, besonders auch im Hinblick auf die weibliche Bevölkerung Afghanistans. Entführungen, Zwangsheiraten, Frauen- und Mädchenhandel, selbst Steinigungen stellen auch heute noch Gefahren für Frauen in Afghanistan dar. Durch die Stärkung von Frauenrechten, Maßnahmen der Alphabetisierung, Aus- und Fortbildung sowie der Schaffung von Einkommensmöglichkeiten sollen auch sie die Möglichkeit erhalten, an der Entwicklung ihres Landes teilzunehmen.

Nicht nur die bestehenden Probleme in Afghanistan, sondern gerade auch die bereits erreichten Fortschritte sprechen für eine weitere deutsche Beteiligung an der ISAF-Mission.

Mit freundlichen Grüßen

Willi Brase