Frage an Willi Brase von Dirk F. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Brase,
Warum wird Weiterbildung von der Bundesregierung nicht mehr gefördert? Ich kann mich an Zeiten erinnern als es gefördert wurde. Dann wurde es aufgegeben und den Schaden davon haben wir jetzt. Es sind nicht genügend Fachkräfte da! Es gibt genügend Menschen in Deutschland, die sich gerne weiterbilden würden, doch wer kann sich das noch leisten? Wo ist der Staat? Mit Bafög Kann man keine Familie ernähren. Und wenn man es auf lange Sicht betrachtet, würden durch die, die förderungswillig und bereit sind, Stellen frei, die wieder erneut besetzt werden könnten. Aber wir nehmen ja lieber Fachkräfte aus dem Ausland. Ich würde mich freuen wenn Sie mir diese erste Frage plausibel beantworten könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Dirk Freitag
Sehr geehrter Herr Freitag,
vielen Dank für Ihren Beitrag zum Thema Weiterbildung in Deutschland, zu dem ich gerne Stellung nehmen möchte.
Sie haben vollkommen Recht - die Weiterbildungsquote in Deutschland ist erschreckend niedrig. 2003 lag die Quote bei 42 Prozent, 2007 bei 43 Prozent, während sie zum Beispiel in den skandinavischen Staaten, Österreich und Luxemburg zwischen 71 und 89 Prozent liegt. Besonders Personen mit geringem Schulbildungsniveau nehmen mit 28 Prozent wenig an formalisierter Weiterbildung teil. Dagegen bilden sich 62 Prozent der Hochschulabsolventen weiter (2007). Das Bildungsgefälle setzt sich also auch im Bereich der Weiterbildung fort. Die Beteiligung an beruflicher Weiterbildung stagniert in den letzten Jahren bei 26 Prozent. Auch hier gilt: je höher der Berufsabschluss, desto höher die Beteiligung an der beruflichen Weiterbildung.
Zu konstatieren ist auf der anderen Seite aber auch, dass deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich gesehen ihren Beschäftigten zu wenig Weiterbildung anbieten. Dabei sind die betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten stark von der Betriebsgröße und der Branche abhängig. Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen ist das Weiterbildungsangebot gering.
Man muss das Thema Weiterbildung also von zwei Seiten betrachten. Auf der einen Seite müssen die Beschäftigten nachdrücklich dazu angehalten werden, Weiterbildungsangebote anzunehmen, damit sie ihre Beschäftigungsfähigkeit und Einkommenschancen sichern und nachhaltig verbessern. Auf der anderen Seite müssen auch noch mehr Betriebe erkennen, dass die Weiterbildung ihrer Beschäftigten dazu führt, zukünftigen -- ja auch von Ihnen richtig genannten -- Fachkräftemangel entgegenzuwirken und somit die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft ihres Unternehmens zu erhalten bzw. zu steigern.
Sowohl die SPD-Bundestagsfraktion als auch die Bundesregierung haben dem Thema Weiterbildung die höchste Priorität gegeben und hinsichtlich der Finanzierung von Weiterbildung erste Schritte in die Wege geleitet. Zum 1.1.2009 wurde die so genannte Weiterbildungeprämie mit folgenden Komponenten in Kraft gesetzt:
1. Eine Weiterbildungsprämie in Höhe von maximal 154 Euro wird für Einkommensgruppen mit bis zu 17.900 Euro (alleinstehend) bzw. 35.800 Euro (verheiratet) zu versteuerndem Jahreseinkommen zur hälftigen Ko-Finanzierung von Weiterbildung erhältlich sein, wenn mindestens die gleiche Summe als Eigenbetrag zur Finanzierung der Teilnahmeentgelte geleistet wird.
2. das Vermögensbildungsgesetz (VermBG) wird um die Möglichkeit ergänzt, zum Zwecke der beruflichen Weiterbildung aus dem Ansparguthaben vor Ende der Bindungsfrist zu entnehmen, ohne dass die Arbeitgebersparzulage entfällt.
3. Ein Weiterbildungsdarlehen kann unabhängig von der Höhe und der Form des Einkommens in Anspruch genommen werden. Damit wird auch die Finanzierung teurerer Maßnahmen ermöglicht.
4. Die Komponenten sind kumulativ verwendbar.
5. Durch die vorgesehene Beratung wird ein sinnvoller und zweckmäßiger Einsatz der öffentlichen und privaten Mittel ohne bürokratische Hürden ermöglicht.
Derzeit in der Haushaltsberatung befindet sich außerdem die "AufstiegPlus50"-Novelle im Rahmen des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG). Angestrebt sind hierbei von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion u. a. folgende Punkte:
1. die Bezuschussung der Unterhaltsförderung zu 50 Prozent bei Vollzeitmaßnahmen,
2. die Steigerung des Zuschussanteils für Maßnahmeförderungen,
3. die bessere Unterhaltsförderung für Familien,
4. die Ausweitung der Förderberufe,
5. die Belohnung des erfolgreichen Abschlusses,
6. die Verlängerung der Förderungshöchstdauer,
7. die Flexibilisierung der Förderung und Darlehensrückzahlung.
All diese Maßnahmen werden meiner Meinung nach die Quote der Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland nachhaltig erhöhen. Von der SPD-Bundestagsfraktion wird darüber hinaus die Einführung eines Erwachsenenbildungsförderungsgesetzes angestrebt. Dieses soll u. a. einen Rechtsanspruch auf einen Alphabetisierungskurs und auf das Nachholen eines Schul- und Berufsabschlusses ab dem 25. oder 27. Lebensjahr beinhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Brase