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Frage von Daniel W. •

Frage an Willi Brase von Daniel W. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Brase,

wie stehen Sie zu der geplanten Privatisierung der Bahn?

Werden Sie, sofern es zu einer Abstimmung im Bundestag kommt, gegen die Privatisierung der Bahn stimmen?

Was halten Sie von den Argumenten Ihres Parteigenossen und MdB Klaus Barthel, aus dem Brief "Zukunft der Bahn, Bahn der Zukunft - die Bahnreform weiterentwickeln" an die Fraktionsmitglieder vom 05.05.2008? Unterstützen Sie diese? (Anm. d. Red.: Brief unter http://privatisierungstoppen.deinebahn.de/download/brief-barthel-spd_08-05-06.pdf abrufbar.)

Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass, egal welche Umfrage man betrachtet, eine große Mehrheit der Bevölkerung gegen die Privatisierung der Bahn ist. Kann aus Ihrer Sicht eine Privatisierung gegen den Willen der Bevölkerung moralisch überhaupt durchgeführt werden?

Konsequenzen durch die Privatisierung der Bahn, können Sie in Ihrem Wahlkreis sehr geut betrachten. Es besteht, im Gegensatz zu früher, keinerlei Fernverkehrsanbindung und sämtliche Bahnhöfe sind in einem "erbärmlichen" Zustand. Dies kann als direktes Resultat aus der bisherigen "Erfolgsgeschichte" Bahnprivatiseirung seit 1994 gezogen werden.

Ab dem Jahr 2010 wird die letzte wirklich "wichtige" Strecke in Ihrem Wahlkreis "Aachen-Köln-Siegen-Gießen" durch die "Heidekrautbahn GmbH" betrieben, die nichts anderes als ein "Sozialdumpingunternehmen" der Deutschen Bahn ist. Dieses Modell soll, laut aktuellen Presseberichten, auf das ganze Bundesgebiet angewendet werden.

Wie stehen Sie und die SPD in Ihrem Wahlkreis zu diesen beiden Problematiken?

Mit freundlichen Grüßen,

Daniel Wolpert

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wolpert,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30. Mai 2008, in dem Sie sich zu der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn äußern. Gerne beantworte ich Ihre Fragen.

Wie Sie sicherlich wissen, hat der Deutsche Bundestag dem Antrag der Koalitionsfraktionen am vergangenen Freitag zugestimmt. Ich möchte Ihnen gerne darlegen, weshalb ich für den Antrag votierte und die Ansichten des Kollegen Klaus Barthel, MdB, nicht teile.

Mit dem Antrag wurde ein Modell für die Teilprivatisierung der DB AG auf den Weg gebracht, das vorher nach intensiver Beratung und Diskussion vom Parteivorstand, dem Präsidium, den Landes- und Bezirksvorsitzenden sowie dem Parteirat als Vorschlag der SPD angenommen worden war. Nach dem Willen der SPD-Gremien werden nun die Verkehrsgesellschaften des Personen- und Güterverkehrs in einer Subholding zusammengefasst. 24,9 Prozent der Anteile an dieser Subholding können an private Geldgeber verkauft werden. Die Infrastruktur, also die Schienen, die Energieversorgung und die Bahnstationen bleiben allerdings vollständig in öffentlicher Hand.

Dieses Modell ist absolut tragfähig. Es berücksichtigt die Vorgaben des Parteitages in vollen Umfang. Auch die Anforderungen, die mit der Festlegung auf Volksaktien erreicht werden sollten, werden absolut erfüllt:

- der Zugriff privater Investoren auf das Schienennetz wird ausgeschlossen;

- der Einfluss auf die Geschäftspolitik wird stark begrenzt;

- die dominante Stellung des Bundes als Eigentümer bleibt erhalten und wird ausgebaut.

Damit gelingt es, der Daseinsvorsorge gerecht zu werden und gleichzeitig die dringend notwendigen Investitionen in die Bahn zu finanzieren. Für mich steht fest, dass den wesentlichen Maßstäben einer sozialdemokratischen Variante der Teilprivatisierung mit dem Holdingmodell entsprochen wird: So wird zu einem die Beschäftigungssicherung für die 230.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fortgesetzt. Zum anderen wird der zusammenhängende Konzern erhalten und gegen eine zunehmende Billig-Konkurrenz gestärkt.

Weshalb für mich auch die grundsätzliche Entscheidung, überhaupt eine Teilprivatisierung vorzunehmen, richtig ist, will ich Ihnen anhand der folgenden fünf Fragen und Antworten darlegen:

*1. Warum sollen private Partner an der Bahn beteiligt werden? *

Der Eisbahnverkehr benötigt enorme Investitionen in das Schienenetz, in die Infrastruktur und in das rollende Material. Zudem muss die DB in der Lage sein, sich nicht nur national, sondern international zu behaupten. Mit der Öffnung des europäischen Eisenbahnmarktes (seit dem 1.1.2007 gibt es keine Beschränkung mehr für den Güterverkehr in Europa. Ab dem 1.1.2010 fallen die Grenzen für den europäischen Personenverkehr) beginnt sich ein europaweiter Konkurrenzkampf zu etablieren. Hier wollen wir der Bahn die Chance geben, sich zu behaupten. Diese Aufgabe kann sie nicht ohne zusätzliche Investitionen bewältigen. Durch die Beteiligung privater Partner kann der Bahn das Kapital zugeführt werden, dass sie braucht, um den Erfolgskurs der vergangenen Jahre fortsetzen zu können. Gleichzeitig kann in den Streckenausbau, den Lärmschutz und in den Umweltschutz investiert werden.

*2. Welche Kriterien gelten bei der Beteilung privater Geldgeber? *

- Keine Zerschlagung der DB AG. Der integrierte Konzern bleibt erhalten. Ebenso der konzerneigene Arbeitsmarkt. Eine Vollprivatisierung lehnen wir ab.

- Keine Einschränkung des Bundes. Der Bund kann seine Eigentumsrechte weiterhin wahrnehmen. Er bleibt für die Daseinsvorsorge verantwortlich.

- Kein Zugriff von Privaten auf das Netz. Private Investoren dürfen keinen Zugriff auf das Schienennetz haben. Ein Schienenverkehr mit vernünftiger Vertaktung wird sichergestellt.

*3. Wie soll die Beteiligung erfolgen? *

- Die DB AG fasst sämtliche Verkehrs- und Logistikaktivitäten unter dem Dach einer Subholding zusammen. An ihr können sich private Investoren über freie Stammaktien und vinkulierte Namensaktien bis zu einem Anteil von maximal 24,9 % beteiligen. Ein Anteil von unter 25 % garantiert das alleinige Besetzungsrecht für die Sitze der Anteilseigner im Aufsichtsrat dem Bund. Eine Sperrminorität wird verhindert.

- Zur Sicherung der grundgesetzlichen Daseinvorsorge werden die Aufrechterhaltung des Regionalverkehrs und die Vertaktung mit dem Fernverkehr vertraglich sichergestellt. Durch die Regionalisierungsmittel sind die Voraussetzungen hierfür geschaffen

- Die Erlöse aus der Teilprivatisierung sollen der Erhöhung des Eigenkapitals der Bahn, Investitionen (Lärmschutz, Streckenausbau und Bahnhofsanierung) sowie dem Bundeshaushalt zugute kommen.

*4. Wie werden die Kriterien gesichert? *

Integrierter Konzern: Durch Satzungsregelungen und Regelungen in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates wird der Einfluss der DB AG gesichert. Hinzu kommt ein Netz vertraglicher Verpflichtungen. In einem Beteiligungsvertrag zwischen Bund und DB AG werden die wesentlichen Bausteine des Struktur-Modells zusammengefasst:

a) Die DB AG wird verpflichtet, die Mehrheit von 75,1% an der Verkehrs-Subholding zu behalten

b) Die DB AG wird bei Beteiligungen und Veräußerungen auf einen
Zustimmungsvorbehalt des BMVBS (gemäß § 65 Bundeshaushaltsordnung)
verpflichtet

c) Die DB AG macht ein Angebot für einen Tarifvertrag, in dem sie sich verpflichtet, die Mehrheit an der Subholding zu behalten

- _Beschäftigungssicherung_: der konzerneigene Arbeitsmarkt wird tarifvertraglich abgesichert. Der Konzernverbund bleibt erhalten. Bis 2023 gibt es keine betriebsbedingten Kündigungen bei der Bahn.

- _Eigentumsrechte des Bundes / Zugriff Privater_: Der Bund bleibt zu 100% Eigentümer der Dachholding DB AG. Über sie verbleibt auch die Infrastruktur mittelbar beim Bund. Die DB AG behält ihrerseits 75,1 % der Anteile an der Verkehrs-Subholding. Die Anteilseigner im Aufsichtsrat werden damit alleine vom Bund bestimmt.

*5. Welche Auswirkungen auf das Verkehrsangebot sind zu erwarten? *

Für den Regionalverkehr sind die Länder zuständig. Sie legen selbst fest, wo und wie oft Züge im Nahverkehr fahren. Der Bund stellt ihnen hierfür Mittel in Höhe von 6,75 Mrd. Euro zur Verfügung. In Bayern bestellt die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) den Nahverkehr. Daran wird sich nichts ändern. Im Fernverkehr entscheidet die DB Fernverkehr AG schon heute nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten über die Verbindungen. Die von der Beratungsfirma KCW aufgeworfene Behauptung, in Deutschland würden 15 Städte (darunter die Stadt Kempten) vom Fernverkehr abgekoppelt, werden von der Bahn als aus der Luft gegriffen zurückgewiesen. Fakt ist, dass der Fernverkehr heute eigenwirtschaftlich und rentabel abschneidet. Und sicher ist, dass die Stilllegung einer Strecke nach wie vor nur vom Eisenbahnbundesamt unter Berücksichtigung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens entschieden werden kann.

Es ist richtig, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich gegen eine Teilprivatisierung der Deutschen Bahn ausgesprochen hat. Allerdings sind in der Politik manchmal auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Das jetzige Konzept schützt die Bahn, es schützt die Arbeitsplätze bei der Bahn und es schützt vor einem kompletten Ausverkauf, wie ihn viele im Bundestag gerne gesehen hätten.

Ich teile Ihre Bedenken bezüglich des Modells der "Heidekrautbahn GmbH". Die Einführung eines solchen Modells ist aber unabhängig von der kommenden Teilprivatisierung der Bahn möglich gewesen. Ich bin zuversichtlich, dass die Transnet und die GDBA mit der DB Tarifverträge abschließen, die eine Umgehung der geltenden Tarifverträge und ein Lohndumping bei der Heidekrautbahn GmbH wie auch bei allen Beschäftigungsverhältnissen bei der Deutschen Bahn verhindern.

Mit freundlichen Grüßen

Willi Brase