Frage an Willi Brase von Claudio B. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Brase,
nachdem Ihr Parteigenosse Sigmar Gabriel sich positiv zum Lungenkrebsabkommen TTIP geäußert hat, stelle ich Ihnen als SPD-Politiker aus meinem Wahlkreis folgende Frage:
Wenn Konzerne investieren, also wirtschaftliches Risiko eingehen, bedeutet dies doch auch, dass der Fall eintreten kann, dass deren Investitionserwartung sich nicht erfüllen kann, oder?
Warum sollte eine Gesellschaft an Steuerzahlern, diesen Konzernen ihr Risiko abnehmen? Nichts anderes befürchten TTIP-Kritiker an den Schiedsabkommen. Eine schallende Ohrfeige für alle, die das Risiko nicht eingingen und trotzdem büßen müssen. Nicht für die Konzerne. Sehen Sie diese Punkt mit dem Risiko abwälzen anders?
Mit freundlichen Grüßen,
Claudia Bäumner
Sehr geehrte Frau Bäumner,
herzlichen Dank für Ihre Frage vom 25. Februar 2015, auf welche ich Ihnen sehr gerne antworten möchte.
Grundsätzlich verfolgt die SPD das Ziel, die Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und mit Kanada (CETA) zu einem Erfolg zu führen. Sie bieten nicht nur Chancen für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland und Europa. Wenn es gelingt mit ihnen fortschrittliche politische, soziale und ökologische Standards zu setzen, können die Abkommen zugleich dabei mithelfen, gerechtere Standards für den Welthandel insgesamt zu vereinbaren. Die USA und Europa könnten als die beiden größten Handelsräume weltweit Maßstäbe setzen. Dies würde zu einem wirkungsvollen Hebel für eine bessere politische Gestaltung der Globalisierung führen. Diese Chancen unterstreichen wir auch in dem auf unserem SPD-Parteikonvent im September gefassten Beschluss zu den Freihandelsabkommen.
Ich weiß aber auch: Mit den Freihandelsabkommen verbinden sich ebenso Risiken. Die Vorbehalte und Sorgen vieler Bürgerinnen und Bürger nehme ich sehr ernst. Diese Fragen sachlich, ehrlich und offen miteinander weiter zu diskutieren, ist wichtig.
Vor diesem Hintergrund hat die SPD auf ihrem Parteikonvent einige klare inhaltliche Erwartungen an die Freihandelsabkommen formuliert. Wir sagen: Die Abkommen dürfen nicht dazu führen, dass europäische Standards etwa im Arbeits- und Umweltrecht, beim Daten-, Verbraucher-, Tier- oder Gesundheitsschutz abgesenkt oder bewährte Regeln der Daseinsvorsorge unterlaufen werden. Und unsere Auffassung ist, dass Bestimmungen zum Investorenschutz zwischen Staaten mit entwickelten Rechtssystemen nicht erforderlich sind und daher nicht eingeführt werden sollten. Dabei nimmt der Konventsbeschluss insbesondere gegenüber Investor-Staats-Schiedsgerichtsverfahren eine kritische Position ein. Dieser Beschluss gilt selbstverständlich weiterhin und stellt die Grundlage für die weitere Verhandlungsführung des Bundeswirtschaftsministers dar.
Während bei TTIP die Verhandlungen sich erst in einem frühen Stadium befinden und daher einen größeren Raum für politische Einflussnahme bieten, ist das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) bereits unter der schwarz-gelben Bundesregierung weitestgehend verhandelt worden. CETA befindet sich in einem weit fortgeschrittenen Stadium, wurde allerdings auf dem EU-Kanada-Gipfel Ende September zunächst nicht paraphiert. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass sich die Bundesregierung in der kommenden Zeit noch für Nachbesserungen bei CETA einsetzt, insbesondere im Bereich des Investorenschutzes.
Allerdings trifft auch zu, dass der Investorenschutz in CETA gegenüber demjenigen, den Deutschland in 130 schon bestehenden Freihandelsabkommen ausgehandelt hat, eine deutliche Verbesserung darstellt. Die Verfahren sind transparent, unbestimmte Rechtsbegriffe sind besser definiert, der Marktzugang kann nicht mittels ISDS geltend gemacht werden, da es hierauf keine Anwendung findet. Insgesamt ist das Schutzniveau geringer, als das Schutzniveau nach deutschem Recht.
Doch auch wenn der Teil zum Investorenschutz in CETA gegenüber vorherigen Abkommen einige Fortschritte enthält, hat der Vizekanzler Sigmar Gabriel mehrfach deutlich gemacht, dass er CETA nach jetzigem Stand noch nicht für zustimmungsfähig hält. Dies hat die Bundesregierung auch der EU-Kommission und unseren europäischen Partnern offiziell so kommuniziert.
In den zurückliegenden Diskussionen ist ebenso klar geworden, dass sich Änderungen oder eine Herausnahme des Investorenschutzes aus CETA schwierig gestalten, da die allermeisten anderen EU-Staaten die Bestimmungen begrüßen. Dennoch wird die Bundesregierung die verbleibende Zeit bis zu einer Abstimmung über CETA im europäischen Rat voraussichtlich Mitte 2015 intensiv dazu nutzen, Nachbesserungen gerade auch beim Investorenschutz zu erreichen. Hierfür werde auch ich mich weiter nachdrücklich einsetzen.
Und klar ist auch: Wie vom SPD-Parteikonvent im September beschlossen, werden vor einer politischen Entscheidung über CETA und TTIP die Beschlussgremien der SPD über die letztlich vorliegenden Verhandlungsergebnisse beraten und abstimmen. Sigmar Gabriel hat hierzu nochmals ausdrücklich betont, dass er selbstverständlich den SPD-Parteitag beziehungsweise den Parteikonvent vor der Abstimmung um Zustimmung bitten werde.
Ich setze mich dafür ein, eine ehrliche und offene Diskussion über TTIP und CETA zu führen. Beide Abkommen sind zu wichtig, als das sie als Geheimsache behandelt werden könnten. Die Transparenz, die wir politisch von der EU-Kommission einfordern, wollen wir auch selbst in unserer Diskussion erreichen. Nur auf Grundlage von Information und Meinungsaustausch kann Vertrauen wachsen und letztlich eine fundierte Entscheidung getroffen werden, die der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Tragweite der Abkommen gerecht wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Willi Brase