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Frage von Jürgen O. •

Frage an Willi Brase von Jürgen O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brase,

mit großer Sorge musste ich nun zur kenntniss nehmen, dass ESM und Fiskalpakt beschlossene Sachen sind. Meines Erachtens wird hiermit das letzte Stückchen Demokratie, in welcher wir angeblich leben, zu Grabe getragen.

Iste es richtig, dass der ESM über ein Volumen von 700 MRD EUR verfügt, wer hat diese Summe festgelegt, und woher kommt dieses Geld?

Ist es richtig, dass diese Instititution durch nichts zur Verantwortung zu ziehen ist, nicht mal durch die einzelenen Mitgliedsstaaten und überhaupt keine Gerichtsbarkeit? Alle Bediensteten des ESM besitzen gerichtliche Immunität?

Iste es richtig, dass bei notwendiger Zahlungen die Beträge binnen 7 Tagen überwiesen sei müssen?

Ist es ferner richtig, dass wir. im Falle fehlender Mittel,für weit mehr als die 700 MRD EUR haften müssen?

Ist es richtig, dass der Betrag unbegrenzt ist?

Ist es richtig, dass die Finanzmittel des ESM genauso angelegt und verwendet werden wie bei den Zockerbanken, die meines Erachtens die wahren Schuldigen an der derzeitigen Lage sind.

Viele Frage und ich hätte noch viele weitere.

Nur noch eine Frage:

Ihr Kollege, Herr Seehofer hat in einem Interview folgendes ausgesagt ( sinngemäß):

Herr Seehofer zum Moderator: Ja, Sie haben recht, die, die gewählt werden haben nichts zu bestimmen und die, die bestimmen werden nicht gewählt.

Was hat das noch mit Demokratie zu tun? Ich habe keine Wahl mehr wenn ich zur Wahl gehe!!!! Alle Parteien springen und kuschen, wenn das Kapital den Finger schnippt und der kleine Mann zahlt und zahlt....

Sehr geehrter Herr Brase, mit der Bitte um ehrliche Antworten verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Jürgen Oerter

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Oerter,

vielen Dank für Ihre Anfrage, zu der ich sehr gerne Stellung nehme.

Der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM soll den zeitlich befristeten Rettungsschirm EFSF ablösen. Das Kreditvergabevolumen des ESM beträgt 500 Milliarden Euro, zudem stellen die teilnehmenden Staaten erstmals nicht nur Garantien zur Verfügung, sondern zahlen auch 80 Milliarden Euro Barkapital ein. Der deutsche Anteil beträgt derzeit 21,7 Milliarden Euro. Der Unterschied zu denen von Ihnen genannten 700 Milliarden Euro - 200 Milliarden Euro - ist die so genannte „Übersicherung“. Dieses Kapital sichert u. a. das Ranking bei den Ranking-Agenturen, es dient folglich zur Stabilisierung. Deutschland geht durch die Gewährung von Bürgschaften für notleidende Staaten im Rahmen der europäischen Rettungsschirme erhebliche finanzielle Risiken ein. Diese Risiken sind jedoch vertretbar - denn sie sind nicht nur ein Signal der innereuropäischen Solidarität, sondern auch ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft.

In der aktuellen Debatte über die mit der Euro-Rettung verbundenen Kosten rückt der Mehrwert der Euro-Mitgliedschaft für die Bürgerinnen und Bürger leider zunehmend in den Hintergrund. Zu einer ehrlichen Bilanz gehört aber auch, Belastungen und Vorteile gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Wer das beherzigt, erkennt, dass Deutschland nicht der „Zahlmeister Europas“, sondern der größte Gewinner der Währungsunion ist. Etwa 40 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone, wodurch in Deutschland mehr als drei Millionen Arbeitsplätze gesichert werden. Im Jahr 2010 belief sich der positive Effekt der Währungsunion für die deutsche Wirtschaft auf 165 Milliarden Euro, das entspricht 6,4 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Der Beitrag eines jeden Landes richtet sich nach seinem jeweiligen Anteil am Kapital der Europäischen Zentralbank. Nach diesem Schlüssel sind das für Deutschland 27,15 Prozent. Bezogen auf die oben genannten Summen sind es 22 Milliarden eingezahltes und 168 Milliarden Euro abrufbares Kapital. Die Haftungsobergrenze liegt somit bei 190 Milliarden Euro. Nur der Deutsche Bundestag kann per Beschluss diese Haftungsgrenze erhöhen.

Eine Lehre aus der Finanz- und Schuldenkrise muss sein, dass die Finanzmärkte stärker reguliert und überwacht werden. Die derzeitige europäische Finanzkrise legt schonungslos die Versäumnisse der letzten Jahre auf diesem Gebiet offen. Das zentrales Ziel sollte dabei die nachhaltige Stärkung der realwirtschaftlichen Aufgaben der Finanzmärkte, gegenüber spekulativen Eigengeschäften sein.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat dazu einen Antrag mit dem Titel „Neuer Anlauf zur Finanzmarktregulierung eingebracht“ (Drucksache: 17/7641 ) in den Deutschen Bundestag eingebracht, welcher leider durch die Regierungsfraktionen abgelehnt wurde.

Zu den Aussagen von Herrn Seehofer kann ich keine Stellung nehmen, da ich das Interview weder im Original noch den Zusammenhang kenne.

Mit freundlichen Grüßen

Willi Brase