Frage an Willi Brase von Michael S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
am 3.12.2009 kippte der Europ. Gerichtshof f. Menschenrechte den deutschen § 1626a BGB, der die elterliche Sorge "nichtehelicher" Väter vom Willen der Kindesmutter abhängig machte. Angesichts Ihrer Antwort zum Thema dieses Bereiches, daß zunächst eine Studie abzuwarten sei, deren Ergebnis bis Oktober/November 2010 vorliegen solle:
Ist diese Studie angesichts der obergerichtlichen Entscheidung jetzt hinfällig? Was werden Sie in die Wege leiten, damit das Grundsatzurteil jetzt in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt wird?
(Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/sorgerecht104.html )
Mit freundlichen Grüßen,
Michael Siebel
Sehr geehrter Herr Siebel,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 4. Dezember 2009, in dem Sie sich zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Sorgerecht äußern.
Der EGMR hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Kläger sechs Jahre mit seinem Kind zusammen gelebt hat, drei Jahre davon ohne die Mutter. Die Mutter, die mit dem Vater des Kindes nicht verheiratet war, war nicht bereit, der gemeinsamen Sorgeerklärung zuzustimmen. Die Zustimmung der Mutter ist jedoch gemäß § 1626a BGB Voraussetzung für die gemeinsame Sorge nichtehelicher Eltern. Eine solche Regelung hat zur Folge, dass sich ein Vater, wie in dem vom EGMR zu entscheidenden Fall, der sich jahrelang intensiv um sein Kind kümmert, kein Mitspracherecht in den das Kind betreffenden wichtigen Entscheidungen hat. Die starre Regelung des § 1626a BGB ermöglicht keine Einzelfallbetrachtung.
Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat das bestehende deutsche Sorgerecht gerügt und als diskriminierend beanstandet. Es greift allerdings nicht gestaltend in das deutsche Rechtssystem ein. Wie die Gleichstellung beim Sorgerecht für Frauen und Männer hergestellt werden kann, muss das Bundesjustizministerium in der kommenden Zeit prüfen. Das kann mitunter lange dauern. Somit ist das vom Bundesministerium der Justiz der vorigen Legislaturperiode beauftragte Forschungsvorhaben zum Thema "Gemeinsames Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern" keineswegs unwichtig geworden, sondern kann eine wichtige Grundlage für die kommende Gesetzgebung bilden.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird in den nächsten Wochen das Thema intensiv prüfen: Sinnvoll wäre, die Zustimmung der Mutter gerichtlich ersetzen zu können, wenn der Richter zu der Überzeugung kommt, dass eine gemeinsame Sorge kindeswohldienlich ist. Dies kann der Fall sein, wenn der Vater sich, wie in dem der Straßburger Entscheidung zugrunde liegenden Fall, jahrelang, kontinuierlich und intensiv um das Kind gekümmert und Verantwortung getragen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Brase