Frage an Werner Hoyer von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Hoyer,
Wie sehen sie eigentlich die Beziehungen zur Shanghai Cooperation Organization, die inzwischen nebst Kernländern Rußland, China, Zentralasien auch schon Indien, Pakistan und den Iran als Beobachter aufgenommen hat?
Sollte Deutschland oder die EU sich der SCO anschließen, bzw. ihr öffnen? Halten sie diese Gruppierung eher für eine Bedrohung (Anti-NATO) oder als stablisierend?Könnte sich hier nicht ein kolektives Sicherheitssystem ergeben, wie es z.B. Brzezinski in seinem Buch "Chessboard" als OSZEA (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und Asien/Eurasien) angeregt hatte.Dabei wäre aber zu bedenken, daß ein Ausschluß´der USA hiervon weitreichende Folgen haben würde.Inwieweit wäre eine Kooperation zwischen NATO und SCO sinnvoll?
MfG
Ralf Ostner
Sehr geehrter Herr Ostner,
haben sie herzlichen Dank für Ihre Frage über "Abgeordnetenwatch", die ich Ihnen gerne beantworte.
Die SCO ist mit ihrer gerade einmal 6-jährigen Geschichte eine sehr junge Organisation. Das gilt selbst unter Berücksichtung der "Shanghai-Five" als Vorgänger. Der Mitgliederkreis ist recht überschaubar und umfasst neben den beiden "Großmächten" Russland und China die vier weiteren zentralasiatischen Staaten Tadschikistan, Kasachstan, Usbekistan und Kirgisien. Was diese Staaten verbindet ist mit Sicherheit die geographische Nähe, eine in Teilen gemeinsame Geschichte und das gemeinsame Interesse nach Stabilität. Interessant ist aber auch gerade das, was diese Staaten trennt, denn es gibt meiner Meinung nach eine Vorstellung davon, welche Entwicklungschancen die SCO haben kann.
Russland und China sind unter den Mitgliedern die beiden einzigen, die global Interessen verfolgen. Zugleich sind sie beide im Besitz von Atomwaffen und Mitglieder des UN-Sicherheitsrates. Untereinander gibt es zwischen Russland und China Spannungen insbesondere angesichts des zunehmenden Anteils chinesisch-stämmiger Bevölkerung in den östlichen Provinzen Russlands. Anzunehmen ist, dass die Probleme zwischen Russland und China insbesondere im Bereich der Gewinnung von Rohstoffen, angesichts der in beiden Ländern schwierigen demographischen Entwicklung und möglicherweise auch vor dem Hintergrund ihrer Verhältnisse zu Staaten wie Indien, den USA aber auch zu Europa eher zunehmen werden. Unter den vier "kleinen" Mitgliedern der SCO sind mindestens zwei im Besitz wertvoller Rohstoffe, die ihnen international Attraktivität und innenpolitisch die Chance auf nachhaltige Entwicklung einbringen. (Für weitere Sachinformationen empfehle ich folgenden beiliegenden Artikel: The Shanghai Cooperation Organization, SIPRI Policy Paper No. 17, Alyson J. K. Bailes, Pál Dunay, Pan Guang and Mikhail Troitskiy, Stockholm International Peace Research Institute)
Sicherlich muss man die Gründung der SCO auch als eine Antwort auf "Begehrlichkeiten" westlicher Staaten an den Grenzen Russlands und Chinas werten. Dass es zum Beispiel in Energiefragen eine Interessenüberschneidung zwischen Europa, den USA und Russland und China gibt, kann man nicht übersehen. Ebenso wenig, dass es mit Blick auf die Entwicklung der zentralasiatischen Staaten einen ideologischen Gegensatz gibt. Während "der Westen" - und wir Liberale im besonderen - Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und Marktwirtschaft als die besten Garanten für Frieden, Stabilität und Entwicklung betrachten, werden diese Werte und Prinzipien in den genannten Staaten (noch) nicht geteilt bzw. umgesetzt. Auch wenn dies im Umkehrschluss nicht heisst, dass die SCO als eine "Bedrohung" (sie fragten danach) zu sehen ist, so zeigt dieser Widerspruch doch einer Kooperation jenseits des Dialoges deutliche Grenzen auf. Hinzu kommt die Tatsache, dass auch die SCO selbst eine solche strukturelle und inhaltliche Öffnung anstreben müsste, was derzeit nicht zu erkennen ist.
In der Hoffnung, Ihnen auf diesem Wege behilflich gewesen zu sein sowie mit freundlichen Grüßen
Dr. Werner Hoyer