Frage an Waltraud Lehn von Sebastian K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Lehn,
ich bitte Sie, sich mit folgenden Sachverhalten im Rahmen um die Diskussion um das Zugangserschwerungsgesetz auseinanderzusetzen und zu erklären, warum sie dennoch dem Entwurf zugestimmt haben:
1. Sie begründen u.a. "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum". Halten Sie dies nicht für polemische Stimmungsmache ? Das Internet WAR de facto nie rechtsfrei.
2. Ist es nicht verfassungswidrig, Aufgaben der Judikative dem BKA zu überlassen ?
3. Wie kann es sein, dass versucht wird, das Gesetz in der Öffentlichkeit zu legitimieren, indem Länder wie Indien als "schlechtes Beispiel" genannt werden im Kampf gegen Kinderpornographie ? Indien hat nachweislich UMFASSENDE Gesetze gegen Kinderpornographie.
4. Wie kann es sein, dass versucht wird, das Gesetz mit nachweislich falschen Zahlen zur Marktgröße u.ä. zu legitimieren ? Gibt es keine Möglichkeit, die Notwendigkeit des Gesetzes mit tatsächlichen Fakten zu belegen ? Macht sie die Art der Argumentation seitens v.d. Leyen nicht nachdenklich ? Halten sie die Methoden, mit denen Kritiker entweder mundtot, ignoriert oder denunziert werden nicht für fragwürdig ?
5. Aus welchem Grunde wird versucht, die Gegner der Sperren in die nähe von Kinderschändern zu rücken, u.a. durch ein Radiointerview mit Frau von der Leyen ? Halten sie es nicht fragwürdig, dass Frau von der Leyen Personen, die in der Lage WÄREN, die Internetsperren zu umgehen, öffentlich als " zum Teil schwer Pädokriminelle" denunziert, darunter auch sämtliche Informatiker und Informatik-interessierten ?
6. Warum werden bedenken von Experten, des wissenschaftliche Dienstes, sowie die 130.000 Unterzeichner der Online-Petition weitesgehend ignoriert ? Halten sie es bei so massiven Widerspruch nicht für bedenklich, ein Gesetz "stur" durchzuboxen ?
7.Veröffentlichte Sperrlisten aus Finnland beinhalten weniger als 5% KiPo Material, dafür u.a. regierungskritische Webseiten. Warum werden uns Sperrlisten trotzdem als Vorzeigelösung angeboten und bedenken zerstreut?
Sehr geehrter Herr Klein,
vielen Dank für Ihre zahlreichen Fragen. Ich werde nicht auf alle antworten, da viele von ihnen m.E. hauptsächlich dem Zweck der Meinungsäußerung oder Kommentierung dienen oder in den Kompetenzbereich anderer Personen fallen.
Lassen Sie mich zur Rolle des BKAs folgende Anmerkungen machen: Das BKA steht zunächst einmal unter der Aufsicht des Bundesinnenministeriums. Zusätzlich wird aufgrund der Besonderheit der angeordneten Maßnahmen beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ein fünfköpfiges unabhängiges Expertengremium eingesetzt, um die Sperrlisten zu überwachen. Dessen Mitglieder müssen mehrheitlich die Befähigung zum Richteramt haben. Das Expertengremium kann jederzeit die Liste einsehen und hat mindestens quartalsweise eine relevante Zahl von Stichproben zu erheben, ob einzelne Seiten zu Recht auf der Liste stehen. Auf Verlangen des Gremiums hat das BKA ein zu Unrecht gelistetes Angebot von der Liste zu entfernen. Damit wird das BKA eindeutig kontrolliert und seine Zuständigkeiten und Befugnisse unterliegen ganz klar einer gesetzlichen Regelung. Das BKA arbeitet mit einem fest umrissenen rechtlichen Auftrag, der außerdem im Grundgesetz und im "BKA-Gesetz" beschrieben ist.
Ich denke wie Sie, dass die Behauptung von Frau von der Leyen, in Indien gebe es keine Gesetze gegen Kinderpornografie, völlig unbegründet und irreführend ist. Das im Februar 2009 erlassene erweiterte Informationstechnologiegesetz in Indien ahndet Fälle von Kinderpornografie mit bis zu sieben Jahren Gefängnis und Geldstrafen. Dem Familienministerium waren diese Neuerungen offensichtlich nicht bekannt. Sollten Sie weitere Fragen zu den Äußerungen von Frau von der Leyen haben, so kontaktieren sie diese bitte direkt.
Zu Ihrer Befürchtung durch das Gesetz könnten auch regierungskritische Seiten auf die Sperrlisten gelangen, kann ich nur anmerken, dass durch die Formulierung als Spezialgesetz klargestellt wird, dass es nur um die Sperrung kinderpornographischer Seiten, nicht jedoch von anderen Inhalten geht.
Abschließend möchte ich noch festhalten, dass m.E. die von Ihnen und dem wissenschaftlichen Dienst aufgeworfenen Kritikpunkte in der Debatte angemessen einbezogen und erörtert wurden. Ferner ist die Geltungsdauer des Gesetzes bis zum 31. Dezember 2012 befristet. Auf der Grundlage einer nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob das Gesetz erfolgreich war und seine Schlussfolgerungen ziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Waltraud Lehn, MdB