Portrait von Walter Riester
Walter Riester
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Walter Riester zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Sven K. •

Frage an Walter Riester von Sven K. bezüglich Familie

Sehr geehrter Walter Riester,

die vorgezogene Bundestagswahl sehe ich durchaus als Chance weitere wichtige Reformen in Deutschland anzupacken, hier zu ein paar Fragen:

Kinder und Familien sind das Rückrad der Gesellschaft. Die Gesellschaft wie auch die Lebensgemeinschaften haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark geändert. Immer mehr Paar scheuen die Verantwortung für ein oder mehrere Kinder, in Deutschland finden sich mehr Singelhaushalte als je zu vor. Wie stehen Sie persönlich und differenziert Ihre Partei zur weiteren Gleichstellung anderen Lebenspartnerschaften als Mann und Frau?

Alle Parteien und somit auch alle Politiker haben in den vergangenen Jahren die Altersentwicklung in Deutschland sträflichst vernachlässigt. Die Auswirkungen der Altersentwicklung sind nicht abzuschätzen. Von einer gerechten Altersversorgung sind die derzeitigen Arbeitnehmer weit entfernt. Sie zahlen die heutigen Rentner können jedoch realistisch nicht mehr davon ausgehen selbst je eine akzeptable Rente zu erhalten und müssen sich bereits heute zusätzlich Versichern. Bitte wie wird diese Doppelbelastung (gesetzliche Abzüge+private Vorsorge) von der SPD bewertet und welche Lösungsansätze auf lange Sicht sehen Sie?

Wirschaft und Umwelt – meiner Ansicht nach lassen sich diese Begriffe durchaus gemeinsam vertreten. Welche umweltpolitischen Anliegen erscheinen Ihnen für die kommenden 4 Jahre als Vorrangig?

Mit freundlichen Grüße
Sven Kneipp

Portrait von Walter Riester
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kneipp,

ich teile Ihre Einschätzung, dass Kinder und Familie ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft sind. Diese Feststellung, in der wir übereinstimmen, verführt mich allerdings nicht dazu, Sie mit den wahlpolitischen Zukunftsüberlegungen meiner Partei zuzutexten, zumal dies ja auch nicht Ihre Frage ist. Sollten Sie die familienpolitischen Zukunftsabsichten der Parteien allerdings vergleichen, so bitte ich Sie doch, nach der alten Regel zu verfahren: An ihren Taten sollt ihr sie messen. Zur Erinnerung: Schon ein Jahr nach der Regierungsübernahme wurde die gegenwärtige Regierung durch ein Verfassungsgerichtsurteil zu Recht veranlasst, eine gravierend höhere Familienförderung durch gezielte Kinderförderung zu sichern. Die alte Praxis der Vorgängerregierung hatte keinen Verfassungsbestand. Trotz schwierigster Haushaltssituation aufgrund der Schuldenbelastung, haben wir in mehreren Bereichen z.B. durch eine dreimalige Anhebung des Kindergeldes sowie durch strukturpolitische Verbesserungen die durch den Bundeshaushalt unterstütze Familienförderung von 40,2 Mrd. € 1998 auf zwischenzeitlich 60 Mrd. € angehoben.

Doch Ihre Frage bezog sich auf meine persönliche Meinung und die meiner Partei zur Gleichstellung anderer Lebenspartnerschaften als die von Mann und Frau. Persönlich wünsche ich mir eine Gleichstellung der Lebenspartnerschaften, bei gleichzeitigem Überdenken bisheriger rechtlicher Behandlungen. Dies bedeutet beispielsweise, dass die Unterstützung der Lebenspartnerschaften sich primär auf die Aufgaben und Leistungen der Lebenspartnerschaften beziehen, wesentlich zum Beispiel auf die Erziehung von Kindern. Mit meiner Partei bin ich froh, dass es erstmals in der gegenwärtigen Regierungskoalition möglich war, mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz einen wichtigen Schritt einzuleiten, den meine Partei über weitere Ergänzungen fortsetzen wird.

Nun zu Ihren Fragen bezüglich der Altersvorsorge: Ich teile Ihre Auffassung, dass von den meisten Politikern und zwar parteiübergreifend, der notwendige Umfang einer Altersvorsorge, die an eine Lebensstandardsicherung reicht, falsch dargestellt wurde. Der bekannte Spruch "Die Rente sei sicher" suggerierte völlig zu unrecht, dass es sich dabei um eine Lebensstandardsicherung handelte. Dieses konnte auch in der Vergangenheit die Sozialversicherungsrente nicht leisten, gleiches gilt auch für die Zukunft. Dies war im Übrigen auch der entscheidende Grund, ergänzend eine kapitalgedeckte betriebliche oder private Altersvorsorge zu unterstützen. Nun zu Ihrer Frage, welche Lösungsansätze es für die von Ihnen unterstellte Doppelbelastung gesetzlicher Abzüge und privater Vorsorge gibt. Zuerst zu den gesetzlichen Abzügen: Durch die Rentenreform 2001 wurde der Anteil der Steuerzuschüsse erheblich angehoben. Nun werden beispielsweise die Rentenzahlungen für Kindererziehungszeiten, einigungsbedingte Zusatzrenten und vergleichbare Rentenleistungen voll aus Steuermitteln finanziert. In 230 Mrd. € Rentenzahlungen stecken zwischenzeitlich 80 Mrd. € Steueranteile. Die zu Recht geführte Kritik, die Politik hätte sich ihre rentenpolitischen Entscheidungen über die Beitragszahler finanziert ist damit hinfällig. Diese Kraftanstrengung in der vorherigen Legislaturperiode hat nicht nur das radikale weitere Ansteigen der Beiträge gestoppt, sondern den Beitrag von 20,3 auf 19,5 abgesenkt. Die kapitalgedeckte private Vorsorge wird in zwei Formen unterstützt: Entweder durch Steuerbefreiung und bis 2008 auch durch Beitragsbefreiung, oder bei mittleren und geringeren Verdiensten, sowie bei Familien mit Kindern durch Zulagen, die grundsätzlich zu einer höheren Förderquote als die Steuerbefreiung führen. Ich halte beide Wege für richtig. Sie müssen konsequent auch weiter entwickelt werden. Gewünscht hätte ich mir die Kraft für diesen Einstieg allerdings von der Politik schon vor 20 Jahren.

Ich teile Ihre Auffassung, dass Wirtschaft und Umwelt durchaus gemeinsam vertreten werden können, vor allem wenn beide unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit betrieben werden. Eine Schlüsselfrage kommt dabei der Energiepolitik zu. Der Weg mit der Energiewirtschaft den Ausstieg aus der Atomenergie zu organisieren, bei gleichzeitiger massiver Förderung Erneuerbarer Energien, war eine richtige Kernentscheidung. Sie wieder rückgängig zu machen, wie von der gegenwärtigen Opposition angekündigt, wäre fatal. Ein weiterer wichtiger Schritt Wirtschaft und Umwelt zu verbinden, ist die Steigerung der Rohstoff- und Energieeffizienz. Eine weitere große Zukunftsaufgabe national und international betrifft den Bereich Wasserversorgung und –entsorgung. Aber auch in diesen Fragen stehen entsprechende Überlegungen meiner Partei nicht nur im Wahlprogramm an.

Nun ist die Beantwortung nun doch etwas länger geworden, als ich es beabsichtigt hatte. So umfangreich kann ich nicht alle gestellten Fragen beantworten, aber ich wollte Ihnen ja nicht einfach nur aus dem vorliegenden Wahlprogramm abtippen.

Mit freundlichen Grüßen

Walter Riester