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Frage von Robert F. •

Frage an Walter Riester von Robert F. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Riester,

ich habe einige Fragen zum Thema Elternunterhalt an Sie.

Wenn Eltern im Alter Grundsicherung erhalten, findet ein Rückgriff auf das Einkommen unterhaltspflichtiger Kinder durch das Sozialamt nur bei Jahreseinkommen ab 100.000 Euro (!) statt. Tritt jedoch Pflegebedürftigkeit ein und die Pflegeversicherung deckt nicht alle Kosten, ändert sich die Größenordnung schlagartig: Nettoeinkommen werden ab 1.400 Euro monatlich zur Zahlung herangezogen; auch auf das Vermögen kann zurückgegriffen werden. Worin rechtfertigt sich diese enorme Diskrepanz in der Behandlung der Unterhaltsformen?

Darüber hinaus fallen beim Elternunterhalt im Pflegefall bei den Sozialträgern und Familiengerichten hohe Verwaltungs- und Gerichtskosten an. Einkommen, Ausgaben und Vermögen aller Unterhaltspflichtigen muss regelmäßig erfasst, überprüft und berechnet werden - aber nur wenige müssen tatsächlich bezahlen. Das Magazin Focus schrieb in der Ausgabe 2/2007:

"Die Stadt Dortmund [...] überprüft regelmäßig 4600 unterhaltspflichtige Kinder. Nur 120 verdienten so viel, dass sie zahlen müssten."

Jedes Kind, das bezahlt, bezahlt dann die regelmäßige Überprüfung von weiteren 37 Kindern mit. Und viele Fälle landen bei den Familiengerichten und werden über mehrere Instanzen ausgetragen.

Auf www.forum-elternunterhalt.de/downloads/petition-anhang.pdf findet sich eine erschreckende Rechnung zu den Verwaltungskosten. Wenn sie stimmt, ist der "finanzielle Wirkungsgrad" der Maßnahme gerade einmal 12%!

Sind Ihnen reale Zahlen hierzu bekannt? Wurden sie jemals mit Alternativmodellen verglichen, etwa gestaffelten Pauschalbeträgen, die sich nur nach dem Bruttoeinkommen richten?

Bedenken Sie auch: Früher gab es noch 5 Kinder pro Familie, die sich die hohen Kosten teilten. Heute sind es oft weniger als zwei! Hinzu kommen paradoxe Anreize: Ein Autokauf kann z. B. die Unterhaltspflicht senken. Die Geschwister oder das Sozialamt bezahlen dann den Unterschied mit.

Ist dieses Modell noch zukunftsfähig?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fies,

bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung handelt es sich in der Tat um die einzige Sozialhilfeleistung, nach dem SGB XII, bei der es grundsätzlich keinen Unterhaltsrückgriff gibt. Eingeführt hatten wir dies während meiner Ministertätigkeit, um gegen die bekannte Entwicklung der so genannten verschämten Altersarmut vorzugehen. Gegen diese Entscheidung gab es sowohl von der damaligen Opposition, als auch von den Sozialhilfeträgern, den Kommunen und Landkreisen erhebliche Kritik. Erst im Gesetzgebungsverfahren hatten wir den Unterhaltsrückgriff für den Fall ermöglicht, dass im Grundsatz unterhaltsverpflichtete Kinder ein Jahreseinkommen von über 100.000 Euro haben. Sofern dies öffentlich bekannt wird, so die damalige Position im Gesetzgebungsverfahren, so hat der Sozialhilfeträger das Recht, den Unterhaltsrückgriff gegenüber den Kindern geltend zu machen.

Um dem Grundgedanken verschämte Altersarmut zu überwinden nachzukommen, haben wir auch darauf verzichtet, dass Hilfebedürftige verpflichtet werden, ein möglicherweise vorhandenes Einkommen ihrer Kinder dem Sozialhilfeträger zu melden. Diese Entscheidung sollte und ist in der Regel auch mit einer absoluten Minimierung des Verwaltungsaufwandes verbunden.

Anders verhält es sich mit dem grundsätzlich vorhandenen Unterhaltsrückgriff auf Familien in anderen Fällen der Bedürftigkeit. Dafür war damals und wohl auch heute keine parlamentarische Mehrheit für eine Änderung zu erreichen, da die Mehrheit des Parlaments der Auffassung ist, dass diese Verpflichtungen nicht automatisch vergesellschaftet werden sollten.

Sie zeigen zu Recht auf, dass damit sicherlich auch ein erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden sein kann.Ich gebe Ihnen Recht, dass sich der Gesetzgeber Gedanken machen muss, wie bei Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Verwaltungsaufwand gemindert werden kann.

Mit freundlichen Grüßen
Walter Riester