Frage an Walter Riester von Daniel K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Riester,
ist es nicht prinzipiell möglich die Mehrwertsteuer für gerecht gehandelte Produkte drastisch zu senken? Einerseits haben die Weltläden mehr Geld zur Verfügung um sinnvolle kleinere Entwicklungsprojekte, z.B. die Entwicklung von Solarkochern in Indien, in ärmsten Staaten finanziell zu unterstützen bzw. unsere Kunden können somit direkten Einfluss auf politische Entscheidungen treffen. Finzanzieren liesse sich das meiner Ansicht nach über eine Umverteilung der Gelder aus dem Ministerium vor Entwicklung und Zusammenarbeit. Andererseits würde der Verkauf dieser Waren vor allem im Bereich von Nahrungsmitteln reizvoller auch für die Discounter (um ein ähnlich hohes Niveau am Verkauf fair gehandelter Güter zu erreichen wie Großbritannien -> etwa 25%).
Eine weitere Frage, die mich schon seit längerem quält:
Warum wird Wasser - speziell Mineralwasser, obwohl es eigentlich das wichtigste Grundnahrungsmittel ist, trotzdem mit 19% besteuert und nicht wie andere Lebensmittel mit 7%?
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Kübler
Sehr geehrter Herr Kübler,
ich bedanke mich für Ihre Anfrage vom 29. März 2007.
Zunächst einige Anmerkungen zum Verhältnis notwendiger Entwicklungsarbeit und deren Finanzierung, die Sie in Ihrem Schreiben ja auch angesprochen haben: Gegen erhebliche Widerstände von Politikern aus unterschiedlichen politischen Parteien und Ressorts halte ich die Entscheidung, die Ausgaben im Bereich der Entwicklungsarbeit kontinuierlich zu erhöhen, für außerordentlich wichtig. Von den angestrebten 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts haben wir gegenwärtig gerade 0,33 Prozent erreicht. Die Mitarbeit im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit – mit dem persönlichen Schwerpunkt Afrika – ist ein Schwerpunkt meiner politischen Arbeit. Deshalb sind mir die von Ihnen erwähnten Beispiele für Entwicklungspolitik ein wichtiges Anliegen, ebenso der weitere Ausbau der Vermarktung fair gehandelter Güter.
In Ihrem Schreiben sprechen Sie eine mögliche Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für fair gehandelte Güter und für Wasser/Mineralwasser konkret an. In der Vergangenheit gab es aus unterschiedlichsten Gründen eine Vielzahl von Mehrwertsteuerminderungen für unterschiedlichste Güter. Solche Minderungen, die irgendwann eingeführt wurden, zum Einführungszeitpunkt möglicherweise auch gut begründet waren, lassen sich häufig nicht mehr ändern, selbst wenn die guten Gründe nicht mehr bestehen. Als die Bundesregierung 2002 beispielsweise die Minderung des Mehrwertsteuersatzes für Blumen und Tiernahrung wieder zurücknehmen wollten, und dafür gab es fürwahr gute Argumente, brach ein Sturm der Entrüstung bei der Fachlobby aus. Eine Mehrheit im Deutschen Bundestag war leider nicht mehr zu bekommen. Andererseits arbeitet beispielsweise die Lobby der Pharmaindustrie intensiv an einer Minderung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel. Man darf zu Recht skeptisch sein, ob diese Minderung an den Endverbraucher weitergegeben würde oder nicht vielmehr in den Strukturen eines vermachteten Marktes zu Gunsten des Handels oder des Produzenten verwendet würde. Ich verstehe deshalb die gegenwärtige Haltung im Finanzministerium, in keinem Bereich mehr Minderungen zuzulassen.
Im Bereich der Entwicklungspolitik sehe ich diese intensive Lobbyarbeit nicht und unabhängig davon auch nicht die notwendigen politischen Mehrheiten. Selbst wenn der von Ihnen vorgeschlagene Weg aus entwicklungspolitischer Sicht wünschenswert wäre, sehe ich keine Chance für eine politische Umsetzung über die Minderung des Mehrwertsteuersatzes.
Ungeachtet dessen werde ich mich für den oben beschriebenen Weg über die Entwicklungspolitik weiter einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Riester, MdB