Frage an Walter Riester von Dieter Z. bezüglich Gesundheit
Hallo Walter,
schon lange habe ich mehr oder weniger jeden Respekt vor der politischen Führung in unserer Republik verloren. Vor vielen Jahren hast Du einmal kundgetan, dass man sich aus dem langen Schatten unseres legendären und vorbildlichen IG-Metallbezirksleiters Willi Bleicher lösen müsse. Nun muß ich erkennen, dass Dir dies als ehemaliger IG-Metall-Funktionär offensichtlich sehr gut gelungen ist. Wie kann man als Sozialdemokrat nur dieser Gesundheits-Reform zustimmen. Hast Du alles vergessen, was Du einstmals in Deiner IG-Metall-Zeit für wichtig gehalten hast? Dein Abstimmungsverhalten widerspricht jeder gewerkschaftlichen Grundhaltung oder ist Dein Verhalten damit zu erklären, dass Du Deinen SPD-Listenplatz um jeden Preis halten willst.
Lieber Dieter, lieber Günther,
wir kennen uns und Ihr beide kennt Euch, deshalb gehe ich davon aus, dass Ihr bei gleicher Anfrage auch eine gleiche Antwort akzeptiert.
Im Kern lautete die Frage: Warum hast Du als Bundestagsabgeordneter der Gesundheitsreform zugestimmt, obwohl die IG-Metall dagegen ist?
Zuerst eine Kurzeinschätzung zum Gesundheitssystem: die Leistungen unseres Gesundheitssystems sind – verglichen mit anderen Ländern – außergewöhnlich hoch, allerdings ist auch das Ausgabenvolumen mit 250 Mrd. Euro außergewöhnlich hoch. Die wichtigsten Zukunftsherausforderungen an das Gesundheitssystem resultieren aus zwei von jedem Bürger nachvollziehbaren positiven Entwicklungen, erstens werden die Menschen glücklicherweise immer älter, damit treten – und dies ist weniger schön – aber deutlich höhere Anforderungen an die Gesundheitsvorsorge. Zweitens steigt der medizinische Fortschritt, auch dies ist natürlich im Grundsatz positiv, beide Entwicklungen zusammen führen aber zu einer deutlichen Kostensteigerung. Dies ist soweit unstrittig. Daraus folgert, dass ohne eine Reform eine permanente auch von den Bürgern nicht akzeptierte Kostensteigerung zwangsläufig erfolgt.
Nun zur Entscheidung, der Reform zuzustimmen: Die Koalitionsfraktionen traten mit zwei völlig entgegen gesetzten Finanzierungsüberlegungen im letzten Wahlkampf vor den Wähler. Weder die meiner Partei, noch die der Union kann sich auf ein Mehrheitsvotum der Bevölkerung berufen. In dieser Situation keine Reform durchzuführen, hätte zwangsläufig zu den oben beschriebenen massiven Kostensteigerungen geführt.
Die Reform wie nun beschlossen hat unbestritten zu einer weiteren Leistungsverbesserung für Schwerstkranke (Krebspatienten, in der Palliativmedizin) aber auch im Leistungsanspruch für Kuren in der Rehabilitation geführt. Ich gehe davon aus, dass dagegen auch von Mitgliedern der IG-Metall kein Einwand kommt.
Der Finanzierungskompromiss, der in seinem wesentlichen Teil – nämlich der Fondslösung – erst 2009 einsetzen soll, ist ein Kompromiss, der von uns zwar so nicht gewünscht ist, allerdings auch hier sind die Grundprinzipien – nämlich die Einzahlung nach Leistungsfähigkeit des Patienten – anders als die Union dies gewünscht hat, erfüllt.
Auf dem Hintergrund dieser Einschätzung und im Wissen, dass ohne Reform die überbordende Kostenentwicklung nicht zu mindern ist, habe ich der Reform zugestimmt und dabei ist – sofern es überhaupt einen Beschluss der IG-Metall gibt – dies nicht die Leitlinie meines Abstimmungsverhalten als Bundestagsabgeordneter.
Im übrigen, lieber Dieter, Deine Anmerkung, ob dies mit dem Schielen auf einen Listenplatz der SPD verbunden sei, möchte ich deutlich zurück weisen, möglicherweise wird es Dich beruhigen, dass ich für eine weitere Legislaturperiode nicht zur Verfügung stehe, ich zweifle allerdings daran, dass dadurch die Interessenvertretung der arbeitenden Bevölkerung besser würde.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Riester, MdB