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Frage von Michael Z. •

Frage an Walter Riester von Michael Z. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrter Herr Riester,

das Steuermodell von Prof. Kirchhof geriet in den letzten Tagen mehr und mehr in die Kritik in den Medien.

Es wurde mit Modellrechnungen (mit fiktiven Familien als Beispiele) berechnet, dass Besserverdiener eben doch stärker als niedriger Verdienende entlastet werden. Des Weiteren seien erhebliche Einnahmenausfälle (40Mrd. EUR) zu erwarten und beispielsweise Herr Eichel hält daher den Umstieg wie von der Union angestrebt für unfinanzierbar.

Der erste - durchaus positive - Eindruck, den ich über dieses System bekommen habe, wird mehr und mehr getrübt. Ich kann weder die Aussagen von Frau Merkel nachprüfen noch die Kritik, die von Ihrer Partei sowie einigen kritischen Kollegen von Prof. Kirchhof geäussert wird.

Wieso kann das (nach Prof. Kirchhofs Angaben sorgfältig durchgerechnete und konzipierte) System durch Gegenrechnungen derart offensichtlich widerlegt werden? Hat "die Gegenseite" (bzw. Prof. Kirchhof) wissentlich negative Auswirkungen bzw. Schwächen der angestrebten Reform verschwiegen?

Wie stellt sich die SPD zu einer vergleichbar radikalen Vereinfachung des Steuersystems bei einer Fortsetung der Rot-Grünen Koalition?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Zinkand,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Die steuerpolitischen Vorschläge von Herrn Kirchhof bergen in der Tat mehrere Probleme. Dies beginnt erstens schon mit der von Herrn Kirchhof immer noch nicht beantworteten Frage, was konkret seinen Berechnungen zugrunde liegt. Zweitens gibt es einen Streit zwischen den Finanzministern aller Länder, dem Bundesfinanzministerium und Herrn Kirchhof über die Dimension der Mindereinnahmen, die bei so einem Modell entstehen. Alle Finanzministerien beziffern dies auf über 40 Mrd. € im ersten Jahr und über 30 Mrd. € im zweiten Jahr. Ab dem vierten Jahr ergeben sich durch das radikale Streichen aller steuerlichen Vergünstigungen immer noch steuerliche Ausfälle von weit über 10 Mrd. € jährlich. All dies konnte von Herrn Kirchhof bisher nicht widerlegt werden. Ein weiteres Problem steckt in der radikalen Umverteilung, die sich durch die Streichung aller steuerlichen Sonderbehandlungen ergeben würde.

Natürlich ist auch die SPD für eine radikale Vereinfachung des Steuersystems, allerdings nicht zu Lasten einer radikalen Umverteilung zu Gunsten der Besserverdienenden in dieser Gesellschaft und auf Kosten von beispielsweise Schichtarbeitern, Pendlern und Menschen die Sonn- und Feiertagsarbeit leisten.

Die SPD ist auch für eine radikale Vereinfachung des Steuerverfahrens. Dabei wird es allerdings nicht gelingen, die Steuererklärung auf einem Bierdeckel zu verfassen. In NRW wurden allerdings noch unter sozialdemokratischer Führung in einigen Kommunen Modellvorhaben durchgeführt, die eine vereinfachte Steuererklärung praktizieren. Diese vereinfachte Steuererklärung, die auf einer Seite verfasst wird, kommt vom Zeitaufwand sicherlich nahe an die von Kirchhof propagierten 10 Minuten heran, allerdings ohne das Steuerrecht „von den Füßen auf den Kopf“ zu stellen und auch ohne im erheblichen Umfang Ungerechtigkeiten und Steuerausfälle zu praktizieren.

Mit freundlichen Grüßen

Walter Riester