Frage an Volkmar Halbleib von Hildegard B.
Sehr geehrter Herr Halbleib,
sind sie dafür dass alleinreisende syrische Minderjährige mit dem Asylpaket II ihre Eltern für 2 Jahre nicht nachholen können
Sehr geehrte Frau Bäumel,
die Zahl unbegleiteter junger Flüchtlinge steigt. Sie hat sich von 2014 auf 2015 verdreifacht. Rund 14.500 allein reisende Jugendliche haben 2015 einen Asylantrag gestellt. Viele jedoch stellen (zunächst) keinen Asylantrag. Eine reine Duldung jedoch schließt vom Gesetz her einen Elternnachzug aus.
Das in der großen Koalition von der SPD geführte Familienministerium hat angesichts solcher Zahlen durchgesetzt, dass junge Flüchtlinge bis zum Ende ihrer Ausbildung in Deutschland bleiben dürfen. Zudem werden nun 16- bis 17-jährige Flüchtlinge, die ohne Eltern hier sind, im Asylverfahren von einem gesetzlichen Vertreter begleitet. Darüber hinaus werden sie seit November 2015, dann, wenn an ihrem Ankunftsort keine Unterkünfte des Jugendamts vorhanden sind, auf andere Bundesländer verteilt. Unbegleitete Jugendliche kommen nicht in Sammelunterkünfte.
Im Aufenthaltsgesetz gilt bisher der Elternnachzug auch für allein geflüchtete Jugendliche mit subsidiärem Schutz. Und nur um diese geht es in der aktuellen Diskussion. Im Jahr 2015 haben gerademal 105 unbegleitete minderjährige Jugendliche subsidiären Schutz bei uns erhalten, nur um die vergleichsweise geringe Dimension des Problems zu verdeutlichen. Dennoch geht es natürlich um das Wohl eines jeden einzelnen Jugendlichen. Mit subsidiärem Schutz ist gemeint, dass er auch für jene Jugendliche gilt, die nicht individuell verfolgt worden sind und die auch nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen.
Im bisherigen Entwurf des Asylpakets II war der Elternnachzug für geflohene Jugendliche mit subsidiärem Schutz enthalten. Generell gilt die Regelung, dass der Elternnachzug erst dann erfolgen kann, wenn das Asylverfahren für den Jugendlichen abgeschlossen ist.
Im Asylpaket II, das letzte Woche im Kabinett verabschiedet wurde, fehlte dieser Passus. Es wurde vielmehr eine Version beschlossen, die eine Formulierung enthält, die so verstanden werden kann, dass geflohene Jugendliche mit subsidiärem Schutz ihre Familie nun zwei Jahre lang nicht nachholen können. Ich hoffe sehr, dass es den Parteien in der großen Koalition, nachdem deren unterschiedliche Interpretation dieses Passus nun offensichtlich wurde, gelingt, eine Lösung für diesen nicht hinnehmbaren Umstand zu finden.
Unbegleitete jugendliche Flüchtlinge, egal woher sie kommen, genießen gemäß der UN-Kinderrechtskonvention besonderen Schutz. Es ist meines Erachtens auch auf Dauer nicht hinnehmbar, dass Kinder und Jugendliche von ihren Eltern getrennt sind. Sie brauchen den Halt und die Unterstützung durch die Eltern. Allein schon humanitäre Gründe sprechen dafür, dass das Kabinett und die dort vertretenen Parteien das bereits beschlossene Asyl-Paket II nochmals ändern oder Lösungen finden, die dazu beitragen, dass das Paket im Sinne der Humanität ausgelegt werden kann.
Nachtrag: Am gestrigen Donnerstag hat sich die Koalition erfreulicherweise geeinigt. Das Asylpaket II bleibt zwar unangetastet, es wurden aber Härtefallregelungen bei dringenden humanitären Gründen eingeführt, die den sofortigen Elternnachzug bei diesen jungen Flüchtlingen erlauben. Über die Härtefälle entscheidet das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Innenministerium. Ich denke, diese Lösung ist vertretbar, da es sich nicht um einige Tausend junger Flüchtlinge handeln wird, sondern - wie die Erfahrung der letzten beiden Jahre zeigt - um einige Hundert Fälle.
Mit freundlichen Grüßen
Volkmar Halbleib