Frage an Volker Metzroth von Thomas S. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Metzroth,
welches Konzept vertreten Sie bzw. Ihre Partei bezüglich der aktuellen Finanzkrise?
Viele Grüße
Thomas Seibel
Sehr geehrter Herr Seibel,
was zunächst als Finanzkrise Schlagzeilen machte, wurde zur tiefsten Wirtschaftskrise des Kapitalismus seit 1929. Im Kern ist es eine Überproduktionskrise, deren zyklisches Auftreten zu dessen Gesetzmäßigkeiten gehört, ebenso wie die Spekulation, wenn Geldern mangels Nachfrage keine realen Anlagemöglichkeiten mehr finden.
Zudem wurde diese Krise beschleunigt und vertieft indem z.B. Hedgefonds zugelassen, die Spitzen- und Unternehmenssteuersätze drastisch gesenkt, die Gewinne von Heuschrecken von der Steuer befreit, einen wachsenden Sektor prekärer Beschäftigung geschaffen sowie die Sozialversicherungsbeiträge einseitig auf die Arbeitenden abgewälzt wurden. Das ist auch Ergebnis des „Lissabonvertrages“ der EU-Staats- und Regierungschefs von 2000, in Deutschland u.a. mit der Agenda 2010 umgesetzt.
Die von Franzosen und Niederländern verhinderte EU-Verfassung und der in Irland zunächst gestoppte EU-Reformvertrag sollten bzw. sollen dem gescheiterten Neoliberalismus Verfassungsrang verleihen. Die Umverteilung von unten nach oben, die Profite von Banken und Konzernen, der freie Kapitalverkehr sollen Vorrang von den Lebensinteressen der arbeitenden Menschen und ihrer Familien, der Jugend und der Rentner haben.
Angesichts Hunderttausender jetzt arbeitsloser Zeit- und Leiharbeiter, Hunderttausender Kurzarbeiter und Millionen, die um ihre Zukunft fürchten, fordert die DKP statt „Rettungsschirmen“ für Banken und Spekulanten umfassende öffentliche Investitionsprogramme auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Schaffung von sinnvoller, zukunftsorientierter Arbeit.
Es ist höchste Zeit, den EU-Stabilitätspakt abzuschaffen und durch einen neuen Solidaritätspakt zu ersetzten, der auf Wachstum, Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit, Umweltschutz und Angleichung der Arbeits- und Lebensbedingungen in Europa auf dem jeweils höchsten Niveau ausgerichtet ist.
Einkommen, Gewinne und Vermögen sind progressiv zu besteuern. Wenn Steueroasen geschlossen, spekulative Kapitalflüsse hoch besteuert und Vermögen, die nicht für produktive Investitionen genutzt werden, z.B. durch eine Sondersteuer auf große Vermögen (ab 1 Mio. aufwärts) abgeschöpft werden, dann sind die Gelder für Zukunfts-Investitionsprogramme vorhanden, ohne daß die Staatsverschuldung weiter erhöht werden muß. Das Kasino, in dem Billionen verzockt wurden, ist nicht zu renovieren, sondern zu schließen. Der private Finanzsektor muß vergesellschaftet und demokratisch kontrolliert werden.
„Die Verursacher müssen zahlen“, so und ähnlich lauteten die Forderungen bei Demonstrationen in den letzten Wochen, so auch die von 100.000 Gewerkschaftsmitgliedern am 16. Mai in Berlin. Meine Partei begrüßt und unterstützt nach ihren Kräften jeden Widerstand gegen Entlassungen, Lohnabbau und Arbeitszeitverlängerung als Beitrag gegen das Abwälzen der Lasten der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die breiten Massen. Für eine solche Politik am 7. Juni zu stimmen stärkt die Abwehr der Krisenfolgen, ist also allemal besser als zu hause zu bleiben, ersetzt aber nicht das eigene Engagement der Betroffenen vor und nach dem Wahltag.
Herzliche Grüße,
Volker Metzroth