Frage an Volker Beck von Peter S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Beck,
dem Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes" vom 14.01.2009 zufolge soll jeder Anbieter von Internetdiensten wie Google, Amazon oder StudiVZ künftig das Recht erhalten, mein Surfverhalten ohne Anlass aufzuzeichnen – angeblich zum "Erkennen" von "Störungen". Damit müsste ich die unbegrenzte und unbefristete Speicherung jeder Eingabe und jedes Mausklicks beim Lesen, Schreiben und Diskutieren im Internet befürchten. Die Surfprotokolle dürften an Polizei, Bundeskriminalamt, Geheimdienste sowie an die Unterhaltungsindustrie herausgegeben werden. Eine richterliche Anordnung ist nicht vorgeschrieben, eine Beschränkung auf schwere Straftaten nicht vorgesehen. Ich protestiere scharf gegen eine solche anlasslose Erfassung meines Surfverhaltens und bitte Sie, sich dafür einzusetzen, dass diese Klausel aus dem Gesetzentwurf gestrichen wird!
Im vergangenen Jahr sind zahlreiche Datenskandale aufgetreten: Plötzlich war weltweit nachzulesen, wer delikate Partneranzeigen unter Chiffre aufgegeben hatte, wer ein Erotikangebot von Beate Uhse genutzt hatte oder welche Kinder ein Forum des ZDF-Kinderkanals nutzten. Das zeigt: Nur nicht erfasste Informationen sind sichere Informationen. Es gefährdet meine Sicherheit, wenn jetzt neue Datenberge geschaffen und damit privateste Daten über meine Internetnutzung Missbrauchsrisiken ausgesetzt werden sollen. Bitte verhindern Sie dieses Vorhaben!
Bitte teilen Sie mir mit, was Ihre Meinung dazu ist und was Sie unternehmen wollen, damit ich das Internet weiterhin ohne verdachtslose Aufzeichnung nutzen kann.
Mit freundlichem Gruß,
Peter Stukenbrook
Sehr geehrter Herr Stukenbrook,
das "Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI-Errichtungsgesetz) " ist seit 1990 im Wesentlichen unverändert und solle nun der gewandelten Bedeutung der Informationstechnologie in den vergangenen Jahren angepasst werden.
Die Bundesregierung macht jetzt Änderungsvorschläge auf drei Ebenen:
- Das BSI soll künftig befugt sein, sämtliche IT-Stellen des Bundes zu überwachen. Die meisten Änderungen betreffen damit den Komplex der Kommunikation der Bundesbehörden untereinander, sowie der Kommunikation Bund zum Bürger. Da soll in Zukunft mehr gespeichert werden als bisher, jedenfalls alle Informationen für die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit (§ 4 neu).
- Die Bundesnetzagentur soll künftig befugt sein, verbindliche Mindestsicherheitsstandards zu erlassen (§ 8 Abs. 1 neu), an die sich IT- und TK-Dienstleister zu halten haben. Bisher waren die Empfehlungen des BSI unverbindlich.
- Änderung im Telemediengesetz (§ 15 Telemediengesetz neu), wonach künftig private Anbieter (Inhaltsdienste wie z.B. Yahoo) Nutzungsdaten und damit eine hoheitliche Aufgabe zum Zwecke der Störungsbeseitigung erheben dürfen sollen. Dies war gesetzlich bislang nur den Telekommunikationsunternehmen erlaubt. Anfallende personenbezogene Daten soll das BSI an die Polizeien des Bundes und der Länder, an Strafverfolgungsbehörden und sonstige öffentliche Stellen übermitteln können. Voraussetzung: „zur Abwehr einer Gefahr für hohe Rechtsgüter wie Leib oder Leben einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert geboten oder zur Verfolgung von Straftaten, bei denen ein Auskunftsverlangen gemäß Strafprozessordnung zulässig“.
Nach einer ersten Bewertung der Fachebene meinen wir, dass es zwar grundsätzlich richtig ist, wenn das BSI die Zusammenarbeit zum Schutz kritischer Informationsinfrastrukturen im Verbund mit der Privatwirtschaft koordiniert. Beispiele für solche Angriffe sind Computernetze zur Steuerung der Stromnetze oder die ebenfalls Computer-gesteuerten Pumpstationen bei der Gasversorgung. Eine Beratung des BSI in dem Bereich ist durchaus sinnvoll. Auch die vorgesehenen zehn zusätzlichen Planstellen sowie zusätzliche Personal- und Sachkosten in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro jährlich sind sinnvoll.
Aber wir sehen auch einiges im Gesetz sehr kritisch und können es deshalb nicht unterstützen: Insbesondere die vorgesehene ständige verdachtslose und sogar anlasslose Überwachung (Verbindungsdaten und Inhalte) der gesamten Sprach- und Datenkommunikation aller Unternehmen und Bürger durch die Änderung des Telemediengesetzes ist für uns nicht akzeptabel.
Dabei wird von der Bundesregierung teilweise argumentiert, dass die Nutzerdaten als solche nicht sinnvoll gebraucht werden können, wenn nicht auf den Anschlussinhaber, der hinter einem Kommunikationsvorgang steht, zurückgegriffen wird –und das keine grundrechtseingriffserhebliche Relevanz vorliege (Problem der personenbeziehbaren Daten). Deshalb sei auch solange keine richterliche Entscheidung oder ähnliches notwendig. Dieser Argumentation können wir uns nicht anschließen.
Die jüngsten Datenschutzskandale bei Bahn, Telekom u.a. zeigen, Datenarmut muss oberste Priorität haben. Die Bundesregierung scheint daraus nichts gelernt zu haben.
Wir werden im Gesetzgebungsverfahren die problematischen Punkte benennen und die Koalition auffordern, die datenschutz- und bürgerrechtlichen Belange der Bürgerinnen und Bürger bei diesem Gesetz zu respektieren.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Volker Beck