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Volker Beck
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Frage von Bastian D. •

Frage an Volker Beck von Bastian D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Beck,

beim Durchlesen ihrer Seite auf Abgeordnetenwatch ist festzustellen, dass viele vermeintliche Fragen an Sie eher Meinungsäußerungen homophober und xenophober Art sind.
Hierzu meine Fragen:
1.) Glauben Sie, dass Abgeordnetenwatch ausreichend moderiert wird?
2.) Wo sehen Sie die Grenze zwischen berechtigten Fragen an einen Abgeordneten und lediglichen Meinungbekundungen.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bastian Dietz,

da ich die Frage ja durch einen Tweet bei http://twitter.com/Volker_Beck provoziert habe, will ich Ihnen selbst antworten und dabei auch deutlich werden.

abgeordnetenwatch ist ja ein frühes Produkt der web2.0 Entwicklung.

Anfangs habe ich abgeordnetenwatch sehr begrüßt, da ich hoffte, dass es zur Belebung der politischen Debatte unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger beitragen könnte. Dies ist m.E. nicht eingetreten. Eher im Gegenteil.

Dies liegt meiner Meinung nach an folgendem:

* abgeordnetenwatch hat nicht offensiv kommuniziert, was abgeordnetenwatch nicht ist und welche Fragen als Kommunikation zwischen dem einzelnen Mitglied des Bundestages und der einzelnen Bürgerin oder dem einzelnen Bürger keinen Sinn machen.

* Die Moderation von abgeordnetenwatch ist nicht willens oder in der Lage, extremistische Propaganda herauszuhalten, und damit zu verhindern, dass das Bürgerform auch von Islamhassern, Antisemiten, Schwulen- und Lesbenfeinden oder Neonazis mißbraucht wird.

Hier wäre es gut, wenn die MacherInnen von a’watch einmal inne hielten und etwas kritische Selbstreflektion stattfände.

Unter welchen Bedingungen macht eine Frage an einen Abgeordneten und dessen Antwort bei abgeordnetenwatch Sinn?

Voraussetzung ist, dass der Gefragte eine sinnvolle und interessante Auskunft geben kann. Das ist in folgenden Fällen der Fall:

* Eine fachpolitische Frage an einen Abgeordneten des Fachbereiches: z.B. eine Frage zum Strafgesetzbuch an ein Mitglied des Rechtsausschusses, eine Frage zur Migrationspolitik an ein Mitglied des Innenausschusses, eine Frage zur Milchquote an ein Mitglied des Landwirtschaftsausschusses und eine Frage zur allgemeinpolitischen Ausrichtung einer Fraktion an die Vorsitzenden oder die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer.

* Eine Frage im Vorfeld der Meinungsbildung einer Fraktion oder einer parlamentarischen Abstimmung, die von allgemeinpolitischer Bedeutung (Seite 1 Thema über längere Zeit in Tageszeitungen) ist. Hier wäre es auch kein Schaden, wenn viele oder allen Abgeordnete die gleiche Frage gestellt würden (das lässt abgeordnetenwatch gegenwärtig nicht zu). So können MdBs deutlich machen, wie sie sich in die Meinungsbildung ihrer Fraktion oder des Parlamentes einbringen werden.

Unter welchen Bedingungen macht eine Frage an einen Abgeordneten und dessen
Antwort bei abgeordnetenwatch keinen Sinn?

* Eine fachpolitische Frage ohne eine allgemeinpolitische Bedeutung an einen Abgeordneten eines anderen Fachgebietes ist sinnlos. Sie würden ja auch nicht ihr Auto von Ihrem Steuerberater reparieren lassen oder wegen einer Krankheit zum KfZ-Mechaniker gehen. Abgeordnete können sich natürlich bei Kollegen oder beim Wissenschaftlichen Dienst schlau machen und tun das auch. Ergebnis ist dann aber die häufig beklagte, formelhafte und gleichförmige Beantwortung.

* abgeordnetenwatch ist nicht das richtige Forum um individuelle Probleme von Bürgerinnen und Bürgern mit der Verwaltung und der konkreten Anwendung von Gesetzen zu erörtern. abgeordnetenwatch hat schon Fragen, die Angaben über individuelle Verhältnisse einer Bürgerin enthielten, freigeschaltet. Erst nach einer Intervention wurde sie wieder herausgenommen. Solche Probleme können sinnvoll nur in einer Bürgersprechstunde erörtert werden, wo auch Nachfragen möglich sind.

* Nachschlagewerke sind in Bibliotheken und u.a. mit wikipedia auch im internet frei verfügbar. Wissensfragen können zwar von den MdBs und ihren Mitarbeitern beantwortet werden, aber die richtige Adresse für solche Auskunftsersuchen sind sie nicht.

Die „Grenze zwischen berechtigten Fragen an einen Abgeordneten und
lediglichen Meinungbekundungen" ist für mich gar kein Problem. Von mir aus
kann man mir eine Ansicht schildern und mich nur fragen, was ich davon
halte.

Die Moderation von abgeordnetenwatch versagt m.E. leider immer wieder beim Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie der neurechten Islamhasser oder gegenüber der Propaganda von Neonazis.

Ich weiß nicht woran es liegt.

Bei Fragen mit rechtem Inhalt werden auch ohne echte Frageabsicht die Fragen
zugelassen.

Fragen, die sich z.B. gegen homphobe Attacken richten (wie
http://abgeordnetenwatch.de/volker_beck-650-5916--f158109.html#frage158109 )
werden erst online gestellt, nachdem mein Büro der Abmoderation (Löschung) widersprochen hat.

Ein Portal wie a’watch zu unterhalten, erfordert auch etwas Verantwortung und Informiertheit bei den Moderatoren.

Mit ist schleierhaft, warum hier immer wieder Fragen von NPD-Anhängern zugelassen werden, die die Staatlichkeit und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellen.

Mit ist schleierhaft, warum die ausländerfeindliche Propaganda mit Floskeln wie „Sind Sie tatsächlich der Meinung, dass der Islam im europäischen Kulturraum was zu suchen hat" „Konnte ich Ihnen vermitteln, dass der Islam nicht immer eine Bereicherung darstellt? ", bezogen auf angeblich kriminelle Kinder von Migranten: „Daher meine Frage: finden Sie nicht auch, daß die Deutschen ein Recht darauf haben, diese Zahlen auch in Zukunft zu erfahren, damit sie entscheiden können, welche Zuwanderer eine wirkliche Bereicherung für uns darstellen und welche, na sagen wir einmal, keine ganz so große Bereicherung darstellen?" zugelassen wird. Dies ist 1:1 der Jargon der rassistischen und islamophoben Szene von Politically Incorrect.

Dass inzwischen sogar Fragen mit expliziter Gewaltandrohung gegenüber dem
Befragten ( http://abgeordnetenwatch.de/volker_beck-650-5916--f158023.html#frage158023 ) zugelassen werden, zeigt, dass der Moderation entweder der redaktionelle Kompass oder teilweise die Fähigkeit zur semantischen Texterfassung fehlt. Die Zulassung von minderheitenfeindlicher Propaganda und sogar von verblümten Gewaltdrohungen stellt meine künfitge Mitwirkung an diesem Projekt in Frage.

Man muss auch nicht antworten. Ich will solche Feinde der Demokratie nicht auch noch füttern.

Wegen dieser Missstände habe ich das Projekt um ein Gespräch gebeten, dass wohl noch diesen Monat stattfinden wird. Ich hoffe, dass diese Probleme von abgeordnetenwatch als solche intensiver wahrgenommen werden und in der Zukunft ein anderer Umgang damit stattfindet.

Mit freundlichen Grüßen

Volker Beck