Frage an Volker Beck von Torsten W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
ihr Parteikollege und designierter Bundesvorsitzende Cem Özdemir hat in einem Interview angedeutet, 2009 auf Bundesebene eine Koalition mit SPD und FDP in Betracht zu ziehen. Würden Sie das unterstützen?
Wo liegen inhaltliche Schnittpunkte mit der FDP? Was könnten Streitpunkte sein?
Häufig wird auch eine andere Form der Koalition in Betracht gezogen, nämlich die rot-rot-grüne Koalition aus SPD, Linke und Grüne. Würden Sie das unterstützen?
Wo liegen inhaltliche Schnittpunkte mit den LINKEn? Was könnten Streitpunkte sein?
Welche der beiden Koalitionen wäre Ihnen persönlich lieber?
Ich möchte an der Stelle betonen, dass ich keine definitive Koalitionsaussage von Ihnen verlange. Allerdings wirkt das Hick-Hack der Abgeordneten oft wie ein bloßes Farbenspiel, das nichts mit Inhalten, sondern eher Personalfragen und Vorurteilen zu tun hat. Die Debatte in Hessen ist ein Paradebeispiel dafür. Ihnen als Partei sollte es aber um inhaltliches Vorankommen gehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Torsten Wagner
Sehr geehrter Herr Wagner,
Zunächst einmal ist klar, es braucht starke Grüne im nächsten Bundestag, damit wir eine schwarz-gelbe Koalition für eine Renaissance der Atomkraft, Sozialabbau und konzeptloser Deregulierung verhindern.
An den inhaltlichen Möglichkeiten werden wir unsere Aussage zu denkbaren Koalitionen für die Bundestagswahl 2009 ausrichten.
Aber zu Ihren Fragen:
Sicherlich wäre für Herrn Beck wie für viele andere Grüne auch, ein rein Rot-Grünes Bündnis aus SPD und Grünen die Wunschkonstellation, da - wie bereits das erfolgreiche Wirken von Rot-Grün von 1998-2005 unter Beweis gestellt hat - bei diesem Bündnis die größte inhaltliche Schnittmenge besteht. Eine gesellschaftlich moderne, sozial ausgewogene und ökologisch verantwortbare sowie international verlässliche Politik ist in der Konstellation Grüne-SPD sehr gut möglich. Schnittmengen - wenn auch kleinere - gibt es sicherlich sowohl mit FDP als auch mit der Linken.
Bei der FDP würde es wahrscheinlich die wenigstens Konflikte beim Thema Bürgerrechte und innere Sicherheit geben. Aber schon beim Thema Antidiskriminierung hapert es.
Enorm viel Konfliktpotential wäre in den Feldern Soziale Gerechtigkeit, Umweltpolitik und -wie die aktuelle Debatte zeigt - bei der notwendigen Regulierung der Finanzmärkte zu erwarten. Die FDP hat sich programmatisch immer noch nicht von ihrer Ausrichtung als Lobby-Partei für Besserverdienende abgewandt. Um ein Gemeinwesen wie die Bundesrepublik sozial verantwortbar zu regieren, reicht es aber nicht aus, seine Poltik ausschließlich nach den Bedürfnissen von Vermögenden zu definieren.Auch die PDL sollte man unseres Erachtens nicht"links liegen lassen". Herr Beck ist gegen jede pauschale Ausgrenzung, sondern für inhaltliche Auseinandersetzung. Die Linkspartei hat es selbst in der Hand, ob es auf Bundesebene eine Perspektive für eine handlungsfähige Mehrheit unter Einschluss der Linken gibt.
Dazu muss sie sich in haushalts- und finanzpolititischer Sicht erst einmal mit den Grundrechenarten versöhnen. Die unter dem Deckmantelder sozialen Gerechtigkeit daherkommenden Forderungen der Linken würdennach Berechnungen den öffentlichen Haushalten (Bund, Länder,Kommunen und Sozialversicherungen) jährlich Mehrkosten von 154,7 Milliarden Euro bescheren.
Wer in der Sozialpolitik so wenig Prioritäten zu setzen weiß, hofft, dass durch Versprechungen an alle, die Zahl der Sitze im Bundestag, aber nicht, dass sich die Einkommen der sozial Schwachen erhöhen. Auch in der Außenpolitik ist die PDLderzeit nicht realitätstauglich und handlungsfähig. Deutschland hat als bevölkerungsreiches Land in Europa eine besondere Verantwortung, die Vereinten Nationen bei ihren Bestrebungen für den Frieden zu unterstützen. Die sogenannte Linke hatte zu Beginn dieser Legislaturperiode die Überwachung eines Waffenstillstandabkommens im Auftrag der VN im Südsudan als Militarisierung der Außenpolitik abgelehnt.Dann hatte sich fast die gesamte Führung nicht an der Abstimmung beteiligt. Zuletzt wurde sich dazu enthalten.
Wer noch nicht einmal UN-mandatierte Beobachtungsmissionen mit unbewaffneten Militärbeobachtern wie im Südsudan mittragen kann, betreibt antimilitaristische Folklore statt Friedenspolitik und Unterstützung der Vereinten Nationen. Mit diesen Positionen ist kein Staat zu machen.
Ändert die Linken an diesen Punkten ihre Haltung, haben wir eine neue Situation. Ändert sie sie nicht, gibt es auch weiterhin keine Möglichkeiten für eine Kooperation auf Bundesebene. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Linke hier vor der Bundestagswahl 2009 noch die Kurve kriegt.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Volker Beck