Frage an Volker Beck von Jens N. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Beck,
ich habe die Briefe an Sie und die Antworten Ihres Büros darauf gelesen. Und ich bin ehrlich entsetzt, in welchem Ton Ihre Mitarbeiter die Fragesteller anmachen.
Konkret: Auf einen Fragenkatalog eines Herrn Kunz antwortet Ihr Büro: "Ihre Vorwürfe weisen wir zurück! Alles Übrige finden Sie in den Antworten auf andere Fragesteller."
Ein Pfarrer erhält die Antwort: "Das Homosexualität nicht geheilt werden kann und auch nicht muss ist Stand der Forschung. Wir sehen daher den Lernbedarf eher auf ihrer Seite." Das stimmt einmal nicht , weil die Forschung sich nicht dazu äußert, ob Homosexualität geheilt werden muss oder nicht. Und überdies wird der Mann angequakt, er habe da einen Lernbedarf.
Einen Therapeuten namens Herrn Oerter sauen Ihre Leute runter: "Sie haben drei rhetorische Fragen gestellt. Ich kann nicht erkennen, was Sie und ob Sie wirklich etwas von mir wissen wollen. Wenn Sie etwas über Wissenschaftlichkeit lernen wollen, rate ich Ihnen zu einem Universitätsstudium. Vielleicht liegt Ihnen ja Psychologie" und: "Wenn Sie ein seriöser Therapeut sein sollten, gehe ich eigentlich davon aus und hoffe ich inständig für Ihre Klienten, dass Sie Ihnen helfen, sich so anzunehmen, wie Gott sie geschaffen hat."
Und den Herrn Franke rotzt Ihr Mitarbeiter mit für jedermann klar erkennbarem Zynismus ab: "Sehr geehrter Herr, mögen Sie Frieden finden in Gott! Niemand hat Ihnen das Recht auf Ihre Meinung abgesprochen. In der Demokratie muss jede öffentlich geäußerte Meinung mit Widerspruch und Kritik leben. Das in Gelassenheit zu ertragen, werden Sie wohl noch lernen müssen. Dabei wünsche ich Ihnen viel Kraft, Geduld und Demut".
Würden Sie mir netterweise erklären, Herr Beck, ob Sie eine solche Arroganz gegenüber Bürgern, die Ihnen doch ziemlich seriös und ernsthaft Fragen stellen, tatsächlich für angebracht halten oder ob auch Sie der Ansicht sind, dass Ihre Mitarbeiter sich hier im Ton vergreifen?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Nissen
Sehr geehrter Herr Nissen,
Sie behaupten, die Antworten meines Büros auf Ihre Fragen seien im Ton daneben. Sie sprechen davon, meine Mitarbeiter würden quaken, rotzen und sauen. Vielleicht sollten Sie auch einmal über Ihre Wortwahl nachdenken. Ich weise diese Verunglimpfung meiner Mitarbeiter zurück. Nun zur Angemessenheit der Beantwortung der von Ihnen in Rede gestellten Fragen.
1. Herr Kunz hat im Wesentlichen rhetorische Fragen gestellt und keine neuen Aspekte thematisiert, die nicht an anderer Stelle schon erörtert wurden. Daher haben wir auf diese Antworten verwiesen. Die beispielsweise in der Frage "Warum verhalten sie sich so, als ob sie das „Recht“ gepachtet hätten?" enthaltene Unterstellung ist weder sachlich noch korrekt und bedarf daher auch einer Zurückweisung.
2. Der von Ihnen kritisierte Begriff "Lernbedarf" wurde vom Fragesteller eingeführt. Die Bundesregierung hat zum Stand der wissenschaftlichen Forschung fast das gleiche formuliert wie wir: "Die Bundesregierung vertritt weder die Auffassung, dass Homosexualität einer Therapie bedarf, noch dass Homosexualität einer Therapie zugänglich ist. Homosexualität wird seit über 20 Jahren von der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler aus Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologie nicht als psychische Erkrankung angesehen."
3. Herr Oerter scheint entweder die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens nicht zu kennen oder nicht zu akzeptieren. Dem versuchten wir durch einen Hinweis auf "Differenzen von qualitativen und quantitativen, repräsentativen Untersuchungen" etwas abzuhelfen. Der richtige Ort, um sich mit wissenschaftlichen Arbeitsmethoden auseinanderzusetzen, ist aber in der Tat die Universität und nicht Abgeordnetenwatch. Im Übrigen geben wir dem Therapeuten ausführlich Auskunft über den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu Umpolungstherapien, unter welchem Label sie auch gerade immer angeboten werden.
4. Den Zynismus kann ich nicht erkennen. Vielleicht trauen Sie mir und meinen Mitarbeitern manche - auch vom christlichen Glauben geprägten - Aussagen nicht zu. Das kann ich wohl nicht ändern. Die Antwort lässt sich nicht nur sensibel auf die Frage ein, sondern orientiert sich auch an dem vom Fragesteller eingeführten Augustinus-Zitat. Manche Unterstützer des Christival oder von Homoumpolungstherapien unterstellen einem hier, dass man eine Diktatur wollen würde, verwechseln Kritik mit Repressionsversuchen und Angriffen auf die Glaubensfreiheit, würdigen Homosexuelle öffentlich herab, werfen anderen aber zugleich ihren Stil und ihre Äußerungen vor. Auch idea ist zu meiner großen Enttäuschung heute wieder ein Beispiel dafür, da sie ein Interview mit mir zum Thema Homosexualität unter dem Stichwort "Lustknaben" abhandeln. Die sexuelle Denunziation von Homosexuellen als vermeintliche Pädophile hat eine lange und unglückliche Tradition in der Verfolgungs- und Unterdrückungsgeschichte unserer Minderheit. Soviel zum Thema Seriosität und Ernsthaftigkeit in dieser Diskussion. Es gibt eine Kampagne! Aber es gibt k e i n e Kampagne gegen Christen oder auch nur gegen das Christival. Aber es gibt eine Kampagne gegen jede Kritik an Inhalten und Ausdrucksweisen derjenigen, die Homosexuelle durch die Propagierung von Umpolung, Therapie, Änderung oder wie immer man es gerade zu beschönigen sucht, öffentlich als Kranke oder defizitäre Sünder herabwürdigen. Diese Kampagne wird zur Mobilisierung eines religiösen Spektrums genutzt, das mehr will als seine individuelle und kollektive Glaubensfreiheit auszuleben. Die Betreiber dieser Kampagne streben nach gesellschaftlicher und politischer Macht.
Mit freundlichen Grüßen Ihr Volker Beck