Frage an Volker Beck von Norbert A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck!
Zuerst mal vielen Dank. Ich finde es klasse, dass Sie als Bundestagsmandatsträger sich die Zeit nehmen und Mails beantworten.
Sie behaupten darin, dass die therapeutischen und seelsorgerlichen Angebote eine Herabwürdigung von Schwulen und Lesben darstellen. Ich bezweifle, dass Sie damit Recht haben.
Bei Veranstaltungen und in Publikation konnte ich eine Wertschätzung und Achtung vor homosexuellen Menschen zu verspüren, wenngleich die OJC und andere christliche Organisationen mit theologischen und humanwissenschaftlichen Begründungen Homosexualität nicht als normale Form menschlicher Sexualität anerkennen können.
Theologisch ist festzuhalten, dass es in der Bibel eine deutliche Ablehnung von gelebter Homosexualität gibt. Humanwissenschaftlich gibt es unterschiedl. Auffassungen zur Homosexualität. Um diese Fragen müsste sich – mindestens für Christen - eine fruchtbare Auseinandersetzung drehen: Was hat das biblische Zeugnis für Christen heute zu sagen? Wie kann Homosexualität heute erklärt und verstanden werden? (Wie) Können Christen Homosexualität praktizieren? Für die Gemeinden und Werke stellt sich die Frage, wie sie sich evangeliumsgemäß und hilfreich verhalten können.
Diese Fragen werden von unterschiedlichen Lagern unterschiedlich beantwortet. Aber das ist in vielen Fragen so und wir leben damit. Warum – das möchte ich fragen – kann das in dieser Frage der Beurteilung von Homosexualität nicht so sein?
Ich denke, dass die sachliche Auseinandersetzung zur Beurteilung von Homosexualität verunmöglicht wird, wenn jedem kritischen Kopf direkt eine Verachtung von Homosexuellen oder Homophobie oder „Pseudowissenschaftlichkeit“ unterstellt wird. Damit kann man jemand vielleicht mundtot machen, aber nicht ins Gespräch kommen.
Nötig und gut jesuanisch ist die Differenzierung zwischen Person und Sachverhalt. Wertachtung für Betroffene und eine kritische Haltung in der Sache. Kann das nicht zusammengehen, Hr. Beck?
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Aufrecht
Sehr geehrter Herr Aufrecht,
auf die meisten Ihrer Anmerkungen sind wir in den Antworten an die anderen Fragesteller bereits eingegangen und erlauben uns, darauf zu verweisen. Dabei werden Sie feststellen: Ihre exegetischen Auffassungen und Ihr Verständnis des wissenschaftlichen Diskurses teilen wir nicht.
Eine Anmerkung möchten wir dennoch machen:
Sie verlangen eine Differenzierung zwischen Person und Sachverhalt (der Homosexualität). Dass Sie und viele Kritiker hier überhaupt eine Unterscheidung machen wollen, zeigt, dass sie Homosexualität nicht verstehen oder nicht verstehen wollen. Eine Wertachtung der „Betroffenen“ – wie sie schreiben – und eine kritische Haltung in der Sache (Homosexualität) ist in diesem Fall ein Widerspruch an sich.
Wir unterstellen einmal, dass Sie, lieber Herr Aufrecht, heterosexuell sind. Und nehmen wir einmal an, es wäre Heterosexualität die als Sünde und Krankheit bezeichnet wird (rein hypothetisch natürlich). Würden Sie sich nicht diffamiert und missachtet vorkommen, wenn ihr Umfeld zwar behauptet, Sie als Person wertzuschätzen, aber ihre Empfindungen, die Liebe zur Ihrer Frau/Freundin als Sünde oder Krankheit bezeichnen würde? Sind nicht Person und Emotion eine Einheit?
Vielleicht würden Sie dann sogar auch den Wunsch nach Änderung verspüren. Aber wäre dies ein realistischer Wunsch oder ist dieser Wunsch eher Resultat der Ablehnung ihres Umfeldes? Was wäre wenn man Sie als Person wertschätzen würde aber ihr Empfinden und Ihre Liebe zu Gott als krank darstellen würde (was wir keinesfalls tun!)?
Würden wir Ihnen gerecht werden, wenn wir zwischen Person und Sachverhalt trennen?
Mit freundlichen Grüßem
Büro Volker Beck