Frage an Volker Beck von Norbert A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
mit großem Interesse verfolge ich die Debatte rund um das Christival und das dort geplante Seminar über Homosexualität. Mich beschäftigt dabei eine Sache: Sie und die Grünen treten für Toleranz und Meinungsfreiheit ein. Meine Frage: Gilt diese Toleranz und Meinungsfreiheit auch denen, die eine kritische Position bezüglich Homosexualität beziehen? Der Ton, der da -gerade auch von Ihnen - angeschlagen wird, scheint mir doch eher diffamierend sein und zeigt wenig Offenheit in der sachlichen Auseinandersetzung.
Immerhin könnte man doch auch würdigen, dass die genannten Personen von Christival und OJC nicht durch diffamierendes Auftreten gegenüber Homosexuellen auffallen, sondern durch unterstützende Angebote für Schwule und Lesben, die eben nicht glücklich sind in ihrer sexuellen Prägung und nach Auswegen und Veränderung suchen. In der Ex-Gay-Bewegung gibt es ja nicht wenige Menschen, die für die ihnen zuteil gewordene seelsorgerliche und therapeutische Hilfe dankbar sind.
Da tut sich noch eine Frage auf: Ist in den Positionen der Grünen und der mitunter recht intolerant in der Öffentlichkeit agierenden Homosexuellenbewegung eigentlich vorgesehen, dass homosexuell empfindende Menschen auch den Wunsch haben können, sich zu verändern, heterosexuell zu werden? Ich habe Menschen kennengelernt, denen es so geht. Und zwar ausdrücklich nicht wegen dem gesellschaftlichen Status von Homosexualität.
Ich meine, wenn man so für Freiheit und Toleranz eintritt, dann doch wohl auch für die Toleranz gegenüber den Menschen, die homosexuell geprägt sind, aber es nicht bleiben wollen, oder?
„Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“
Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen
Sehr geehrter Herr Aufrecht,
Aus Ihrer Frage geht nicht hervor, in welcher Weise Sie sich bislang mit den Inhalten des abgesagten Seminars oder dem Handeln der Festivalveranstalter auseinandergesetzt haben. Auf www.abgeordnetenwatch.de habe ich bereits zahlreiche Antworten zum Christival gegeben. Klicken Sie doch bitte durch meine Antworten. Ich bin sicher, dass Sie das Therapie- und Heilungsangebot Homosexueller durch OJC ebenfalls grotesk finden werden. Bitte lesen Sie hier auch das Zitat von Prof. Dr. Udo Rauchfleisch in meiner Antwort vom 5.2.3008 gegenüber Herrn Sachse.
By the way:
Das Eintreten für den Grundrechtekatalog einschließlich der Meinungs- und Glaubensfreiheit wage ich anders als Sie nicht nur für Die Grünen zu reklamieren. Sie sind ein Anliegen aller demokratischen Parteien und Institutionen.
Toleranz, deren Problematik Goethe treffend beschreibt, hat spätestens da ein Ende, wo die Menschenwürde anderer angegriffen wird. Ich bin nicht bereit die NPD und ihre menschenverachtende Ideologie gesellschaftlich zu tolerieren. Wo ich ihr begegne, werde ich ihr gesellschaftlich und rechtsstaatlich entgegentreten. Die NPD greift die Menschenwürde von Migranten und Flüchtlingen, von Juden, Homosexuellen und Behinderten an. Ich muss zwar ihre Existenz ertragen, aber ich werde nie schweigen, wo sie ihre Fratze zeigt.
Dies Homoheilungsprediger greifen die Würde aller Lesben und Schwulen an, indem sie Homosexualität pathologisieren und mit Verdrehungen und Unwahrheiten schwule Bürger und lesbische Bürger herabsetzen und diffamieren. "Unterstützende Angebote für Schwule und Lesben" dieser Gruppen sind mir nicht bekannt, zerstörende Angebote aber sehr wohl. Deren zerstörerisches Wirken werde ich nicht ohne Widerspruch hinnehmen.
Gestatten Sie eine Gegenfrage: Was halten Sie eigentlich von Angeboten für heterosexuell empfindende Menschen, die den Wunsch haben , sich zu verändern und homosexuell zu werden? Wenn Organisationen wie OJC, Christival oder Wüstenstrom, diese Marktlücke schließen, würde ich in Erwägung ziehen, mein Urteil über diese Organisationen zu überdenken, und womöglich glauben, dass sie es mit dem Gerede von Toleranz, Selbstbestimmung, seelsorgerliche und therapeutische Hilfe ernst meinen.
Sie werfen mir Diffamierung vor. Das weise ich zurück. Diffamieren, das tuen andere:
Wenn die Deutsche Evangelische Allianz allerdings von "Angriffen des Bundestagsabgeordneten Volker Beck gegen die an der Bibel orientierte ethische Ausrichtung des Kongresses" spricht, dann lügt sie dreist. Eine an der Bibel orientierte ethische Ausrichtung nehme ich auch für mich in Anspruch, eine Kritik wie von der DEA behauptet werden Sie von mir nicht finden.
Wenn Christival auf mich gemünzt sagt: "Wir bedauern, dass es Politiker gibt, die mit Vorurteilen an die Öffentlichkeit gehen, ohne die Inhalte einzelner Programmpunkte zu kennen.", spricht es die Unwahrheit, da mir die Programme und Publikationen des Pseudo-Institutes der OJC seit Jahren vertraut sind. Es waren Urteile über dieses Zeug, und nicht Vorurteile, die mich bewogen haben, meine Stimme zu erheben und zu widersprechen.
Und seien Sie versichert, ich werde es weiter tun. In der nächsten Woche wird dieses Thema Gegenstand der Fragestunde des Deutschen Bundestages.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Beck