Frage an Volker Beck von Matthias S. bezüglich Familie
Sehr gehrter Herr Beck,
in Ihrer Antwort vom 29.01.2008 auf die Frage von Herrn V. M. vom 28.01.2008; „Können Sie mir bitte die Wahl des Begriffes ’unseriös’ erläutern? Oder allgemeiner gefragt: Können Sie mir Ihr Verständnis von Seriösität erläutern?“
schreiben Sie:
„unter ’Seriosität’ versteht man ’Ernsthaftigkeit’. ’Unseriös ’ kann ’unernst ’, ’unernsthaft ’ und ’unanständig’ bedeuten.“
Und nun meine Frage:
Finden Sie es seriös, wenn Passagen aus dem gründlich wissenschaftlich fundierten psychologischen Standartwerk „Das Drama des gewöhnlichen Homosexuellen“ von Herrn Prof. Dr. van den Aardweg, aus dem Zusammenhang gerissen so zitiert werden, dass ein vollkommen verzerrter Eindruck entsteht?
Oder haben Sie vielleicht übersehen, dass es sich bei dem sog. „Durchprügeln“ auf S. 441 um ein groteskes Beispiel im Rahmen der Humortherapie gegen das Selbstmitleid handelt, das Herr van den Aardweg als eine der Ursachen von homosexuellen Gefuehlen erkannt hat?
mit freundlichen Grüßen,
Matthias Sachse, Cardiff, UK
Sehr geehrter Herr Sachse,
mal im Ernst: ein "Standardwerk" ist das Buch "Das Drama des gewöhnlichen Homosexuellen" von Herrn van den Aardweg vielleicht in der Ex-Gay-Gemeinde, aber nicht in der Wissenschaft. Auch für den von Ihnen an Herrn van den Aardweg verliehenen Professorentitel konnten wir keine seriösen Quelle finden. Van den Aardweg gehört wie die Herren Sorarides und Nicolosi zu dem kleinen Kreis der wechselseitig auf sich verweisenden Autoren, die - um noch einmal Prof. Dr. Udo Rauchfleisch zu zitieren - "in Fachkreisen völlig unbekannt sind und mit ihrer einseitig die Homosexualität pathologisierenden Sicht nicht mehr der heute vertretenen Ansicht entsprechen. So wird die Homosexualität schon seit vielen Jahren nicht mehr als Diagnose in den international verwendeten Diagnosekatalogen geführt, und in Fachkreisen hat sich mehr und mehr die Ansicht durchgesetzt, Homosexualität als eine der Heterosexualität gleichwertige Variante des sexuellen Begehrens zu betrachten."
Demgegenüber vertritt Herr van den Aardweg die These, Homosexualität sei eine "Krankheit aus Selbstmitleid", bzw.Ausdruck einer Neurose. Da er Homosexuelle für psychisch gestört hält, scheint Herr van Aardweg zu meinen, sie nicht ernst nehmen zu müssen. Wenn sie gleiche Bürgerrechte einfordern und Diskriminierung beklagen, ist das für ihn einfach Ausdruck ihres krankhaften Selbstmitleids, sie "verhalten sich wie unvernünftige, weinerliche Kinder" (S. 225). Als Therapie empfiehlt er dann die Methode der "Hyperdramatisierung". Er meint offenbar, durch Übertreibung des Selbstmitleids vor dem Spiegel werde Homosexuellen ihre Lächerlichkeit bewusst und dies befreie sie dann von ihren homosexuellen Gefühlen. Die zitierte Variante des "Durchprügelns" empfiehlt van den Aardweg ganz besonders, um "das Wimmern auszutreiben". Da dieses "einen sehr zwanghaften Charakter" habe, "müssen die ´Prügelszenen´ drastisch genug sein, wenn sie überhaupt eine Wirkung haben sollen." (S. 441). Es mag sein, dass van den Aardweg tatsächlich glaubt, diese Methode sei ein "witziges Spiel" (S. 442). Ich finde seine abstrusen Thesen lächerlich, kann aber nicht darüber lachen, wenn Jugendlichen im Coming Out empfohlen wird, Selbsthass einzuüben. Ich finde das verantwortungslos, gerade vor dem Hintergrund eines erhöhten Suizidrisikos. Daran ändert auch der Kontext der zitierten Passagen nichts. Statt das Selbstbewusstsein lesbischer und schwuler Jugendlicher zu stärken und ihnen zu helfen, mit ihrer Homosexualität zu leben, werden sie hier aufgefordert, sich mit drastischen Selbstmordphantasien zu erniedrigen. Homophobie wird dadurch nicht besser, dass sie sich wissenschaftlich gibt. Maßgebliche wissenschaftliche Literatur, die zu ganz anderen Ergebnissen kommt als van den Aardweg, wird von ihm einfach ausgeblendet. Auch das eint ihn mit dem "Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft", das mit dem pompösen Namen so tut, als handele es sich um eine anerkannte wissenschaftliche Forschungseinrichtung. Tatsächlich ist es aber einfach ein Arbeitsbereich der OJC.
Dass die Ex-Gay-Bewegung ihren ideologischen Kampf gegen Homosexualität wissenschaftlich verbrämt, mag man ja noch amüsant finden. Wenn aber unnütze, unnötige und schädliche "Therapien" empfohlen werden, hört der Spaß auf. Vielleicht haben wir einfach ein unterschiedliche Art von Humor?
Mit freundlichen Grüßen
Volker Beck