Frage an Volker Beck von Markus B. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Beck,
was Ihre Aufregung über "Christival" angeht: Wollen Sie wirklich einen Jugendkongress in Misskredit bringen, der 20.000 jungen Leuten Themen wie Armutsbekämpfung (Seminar 535), Solidarität (Zivilcourage im Umgang mit Rechtsextremisten (544), Friedfertigkeit und Pazifismus (534), politisches Engagement (540, 608, 204), Selbstbehauptung (302), aktiven Umweltschutz (501), Mediation und gewaltfreie Konfliktlösung (106), Einsatz für Migranten und sachlichen Umgang mit anderen Religionen (617, 210, 548) nahebringt? und sie selbstbewusstem Leben ermutigt? Nur weil Ihnen eines von 280 Seminare und Foren von der Themenstellung her nicht behagt? Nimmt B90/DIE GRÜNEN einen solchen Kollateralschaden bewusst in Kauf? Ist es im Sinne der Gender-Politik von B90/DIE GRÜNEN, dass das Thema Homosexualität bei einem Jugendkongress dieser Größenordnung tabuisiert/aus dem Programm verbannt wird? Denn darauf laufen Ihre Bemühungen ja wohl hinaus. Und wäre das dann nicht ein klassisches Eigentor?
Sehr geehrter Herr Baum,
Spielen Sie bitte nicht die verfolgte Unschuld!
Wenn ein Seminar behindertenfeindlich, antisemitisch, antihomosexuell, rassistisch oder frauenfeindlich ausgerichtet ist, werde ich mir immer die Freiheit nehmen, dies zu kritisieren, und ich erwarte von jeder demokratischen Politikerin und jedem demokratischen Politiker klare Distanz.
Der Vorsitzende von Christival, der der Organisation des Veranstalters des obskuren Seminars als Beiratsmitglied angehört, hat den Kongress selbst in Misskredit gebracht. Und nicht ich! Das sind seine Freiheit und seine Verantwortung.
Der Vorsitzende von Christival ist in dieser Hinsicht publizistisch als notorisch aufgefallen. So gibt es eine ganze Liste von Publikationen (Werner Roland in: * Barbara Kittelberger/Wolfgang Schürger/Wolfgang Heilig-Achnek (Hrsg.): Was auf dem Spiel steht. München 1993. ders.: Der Konflikt des homosexuellen Menschen -- Vortrag auf e. Europ. Konferenz Evang. Seelsorger vom 19.--22 Mai 1982 in Haamstede (Niederlande). Dokumentation/Informationsdienst der Evangelischen Allianz 1:24 (Wetzlar: Idea, 1982), ca. 10pp, ders.: Christ und homosexuell? (Moers: Brendow, 1981), 1. dtsprachige Aufl., ca. 100pp, ders.: Das Zeugnis der Bibel. Homosexualität -- ein Schicksal? (Moers, 1988), ders.: Das Zeugnis der Bibel. Kein anderes Evangelium 17 (Bekenntnisbewegung, Juni 1991).), in denen er Argumentationen der amerikanischen Ex-GayBewegung übernimmt oder beispielsweise behauptet, dass Homosexualität "Ausdruck einer tieferen Identitätskrise" sei.
Ihrer Aussage, mit der Absage des Seminars sei das Thema verbannt, kann ich nicht folgen: Wenn man ein antisemitisches Seminar absagt, gibt es damit kein Tabu über die jüdische Religion zu reden. Wenn das antihomosexuelle Seminar nun abgesagt wurde, gibt es dennoch die Möglichkeit ein Seminar über Homosexualität (und Religion) mit einer anderen Ausrichtung und mit anderen Leitern zu veranstalten.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Aktivistinnen und Aktivisten von Zwischenraum, schwule Christen und lesbische Christinnen aus charismatischen und evangelikalen Gemeinschaften, gern dazu bereit stünden. Und wenn Not am Mann ist und der Terminkalender es zuläßt, stehe ich dafür u.U. auch selbst zur Verfügung.
Von einer Tabuisierung des Themas kann also nicht die Rede sein.
Wenn Sie allerdings meinen, man könnte über Homosexualität nur als Defizit, Krankheit oder Sünde sprechen, dann ist womöglich diese Ihre und Ihrer Freunde Haltung das Problem.
Eins muss man Ihnen lassen: Geschickt, wie Sie Opfer und Täter in dieser Sache rhetorisch vertauschen.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Beck