Frage an Volker Beck von Helmut R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Beck,
wie kommen Sie zu der Einschätzung, dass die Seminare zum Thema Homosexualität, die auf dem Christival bzw. in Graz abgehalten werden sollten, "gefährliche Psychokurse" und "Minderheitenfeindlich" seien? Und was veranlasst Sie, eine Christliche Veranstaltung, bei der dieses Seminar eines von sehr sehr vielen ist, dann gleich die ganze Veranstaltung als "fundamentalistisch" einzuschätzen?
Es ist auch ein Faktum, dass es Menschen gibt, die unter ihrer Homosexualität leiden und die den Wunsch nach Veränderung haben. Es ist richtig, dass diese Gruppe unter den homosexuellen Menschen eine kleine Minderheit ist. Wie steht es nun aus Ihrer Sicht um die Rechte dieser Minderheit innerhalb der Minderheit? Hat diese Minderheit kein Recht auf Wahrnehmung ihrer Wünsche, weil die Mehrheit der Minderheit das ablehnt? Und wie vereinbaren Sie Ihre Argumentation mit dem Recht auf Selbstbestimmung? Haben diese Menschen Ihrer Meinung nach nicht das Recht auf Veränderung, nur weil die Mehrheit der Homosexuellen derartiges ablehnt? Und finden sie es ganz im allgemeinen wünschenswert, wenn gesellschaftliche Positionen, die nicht dem gängigen "Mainstream" entsprechen, so pauschal diffamiert werden? Wie lässt sich eine solche Haltung mit einer liberalen Gesellschaftsordnung vereinbaren?
Vielen Dank für Ihre hilfreichen Hinweise!
Mit freundlichen Grüßen
H. Resch
Sehr geehrter Herr Resch,
Meine Kritik richtete sich dagegen, dass die Bundesministerin Ursula von der Leyen die Schirmherrschaft über eine Veranstaltung übernimmt, in dessen Programm ein Seminar zur "Veränderung" von Homosexualität vorgesehen war. Ich habe sie aufgefordert, ihre Schirmherrschaft zurückzuziehen oder sich für eine Änderung des Programms einzusetzen, weil ich es nicht mit ihrem Amt für vereinbar halte, für eine Veranstaltung zu werben, bei der Homosexualität als therapiebedürftig dargestelltwird. Immerhin ist Frau von der Leyen qua Amt für Antidiskriminierung zuständig - dazu gehört auch Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung.
Inzwischen hat das sogenannte "Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft" das für diesen Programmpunkt des "Christivals" zuständig war, das Seminar zurückgezogen und stilisiert sich als Opfer unberechtigter Kritik. Angeblich gehe es ihm nur um "Selbstbestimmung" und "Freiheit". Diese Rhetorik ist aus der "Ex-Gay"-Bewegung der USA, mit dem das "Institut" offenbar eng verbandelt ist, ebenso hinlänglich bekannt wie unglaubwürdig.
Die ursprünglich vorgesehenen Seminarleiter sind durch einschlägige Publikationen hinreichend in Erscheinung getreten, so dass man sich ein qualifiziertes Urteil über die ideologische Ausrichtung des Seminars bilden kann.
Ginge es diesem sogenannten "Institut" (das tatsächlich nur ein Arbeitsbereich des Vereins "Offensive Junger Christen" ist) wirklich um Freiheit, würde es in seinen pseudowissenschaftlichen Publikationen nicht unablässig Angst vor Homosexualität schüren und suggerieren, gleichgeschlechtliche Empfindungen führten zu Drogensucht, psychischen Störungen, Suizid und tödlichen Krankheiten. Wer so einen Unsinn propagiert, trägt bei zu einem Klima, in dem junge Menschen sich eben gerade nicht frei entwickeln können. Nicht homosexuelle Empfindungen erzeugen Leid, sondern ein Umfeld, das behauptet, diese Empfindungen seien nicht in Ordnung und müssten verändert werden.
Der Ausgangspunkt von OJC wie Wüstenstrom ist ein religiös begründetes Unwerturteil über Homosexualität. Natürlich darf jeder glauben was er will, auch dass Homosexualität sündhaft - die meisten Christen sehen das heute zum Glück anders - (oder dass die Erde eine Scheibe) ist. Wer das so sieht, sollte dies aber bitte nicht als wissenschaftliche Erkenntnis verkaufen und Jugendlichen "Therapien" ans Herz legen, vor denen die Fachwelt aus gutem Grund warnt.
Nur ein Beispiel: In einem Buch, das das "Institut" empfiehlt, wird eine "Methode" zur Überwindung homosexueller Gefühle beschrieben, der der Verfasser "Durchprügeln" nennt. Darunter versteht er eine Art verbaler Selbstgeißelung mit Worten wie: "´Ach, du Jammerfritze, schnappe dir einen Teller mit Glasscherben und friss sie auf, aber schnell! Los, hinunter mit der Flasche Blausäure, dann kannst du dich auf dem Boden wälzen, dann weißt du wenigstens, wieso du hier herumschreist!´ Oder: ´Ich habe große Lust, dich zum Fenster hinauszuwerfen, dort unten in die Dornenbüsche, und das tue ich jetzt auch! Hier bekommst du eins mit einem Rohr aus Blei über. Da hast du einen Fußtritt, dass du mitten durchbrichst. Jetzt schütte ich dir Benzin über den Kopf, und dann machen wir ein Feuerchen´ usw." (Gerard J.M. van den Aardweg: Das Drama des gewöhnlichen Homosexuellen, S. 440, mehr dazu unter http://www.gaynial.net ). ()
Solche Ratschläge finde ich in der Tat gefährlich und menschenverachtend. Wer so etwas verbreitet, muss sich zumindest gefallen lassen, dass sich dagegen Protest regt. Kritik dann empört als Angriff auf die liberale Gesellschaftsordnung zurückzuweisen, zeugt m.E. nicht gerade von großem Verständnis für Freiheit und Menschenrechte. Religions- und Meinungsfreiheit bedeutet keine Immunität vor Kritik, und antihomosexuelle Propaganda hat keinen Anspruch darauf, auch noch von einer Bundesministerin beworben zu werden.
Dass Homosexuelle sich oftmals wünschen, so wie alle anderen zu sein, wie ihre Familie oder Religionsgemeinschaft es von ihnen erwarten, ist eine Phase, die viele Lesben und Schwulen durchlitten haben. Das macht aber nicht ihre sexuelle Identität zur behandlungsbedürftigen Krankheit, sondern sie müssen lernen, sich selbst so anzunehmen, wie Gott sie offensichtlich gewollt hat.
Sie würden ja auch nicht jemand eine Therapie zur Verändeurng seiner Körpergröße anbieten, der als ausgewachsener Mensch darunter leidet, größer oder kleiner als der Durchschnitt zu sein. Wenn der Mensch dennoch darunter leidet, vom Durchschnitt abzuweichen, kann man ihm aber Hilfe anbieten, sich selbst so anzunehmen, wie er nun einmal ist.
Von Frau von der Leyen erwarte ich, dass sich von diesen antihomosexuellen Initiativen unmissverständlich distanziert. Dies stünde meines Erachtens auch dem "Christival" gut an, wenn es sich nicht in die fundamentalistische Ecke stellen will.
Dass die Veranstalter des "Christivals" nicht wussten, wen sie sich da ins Boot geholt haben, wage ich aber angesichts der organisatorischen Verflechtungen zu bezweifeln: So ist beispielsweise der erste Vorsitzende des Christivals nämlich Mitglied im sog. "wissenschaftlichen Beirat" des "Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft". Es wundert mich daher nicht, dass die Veranstalter des Christivals, das viele junge Menschen sicherlich in guten Glauben besuchen, bisher kein kritisches Wort über das "Institut" geäußert haben, sondern im Gegenteil die Kritik zurückweisen und die öffentliche Diskussion darüber "bedauern". Es zeigt,dass es gute Gründe gibt, weiterhin ein kritisches Auge auf die Aktivitäten zumindest einiger Unterstützer dieser Veranstaltung zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Volker Beck