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Frage von Rudolf P. •

Frage an Volker Beck von Rudolf P. bezüglich Recht

Wie stehen Sie zur Forderung von Kurt Beck, einen neuen Antrag zum Verbot der NPD auf den Weg zu bringen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Pick,

Herr Beck ist der Auffassung, dass gegenwärtig nicht die Voraussetzungen für ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren vorliegen. Diese Haltung hat kürzlich auch der Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen mehrheitlich eingenommen und daher beschlossen, dass es zu aller erst darum gehen muss, die NPD politisch zu bekämpfen. Hier Auszüge aus dem Parteitagsbeschluss von Nürnberg:

„(…)Eine Debatte um ein Verbot, für das man nicht die Voraussetzungen geschaffen hat, ist kontraproduktiv, da dieses der NPD Aufmerksamkeit verschafft und in der Sache nichts bringt.

Begründung:

NPD- politisch bekämpfen

Rechtsextremismus wird immer mehr zu einer Herausforderung für unsere Demokratie. Rechtsextreme Parteien sitzen in kommunalen Vertretungen und Landtagen. Politisch motivierte rechte Gewalt ist in den letzten Jahren besorgniserregend angestiegen. Die Überfälle von Mügeln, Halberstadt und in Guntersblum/Rheinland-Pfalz sind nur die letzte sichtbarste Spitze dieser allgemeinen Statistik. Regionen drohen zu Angstzonen zu werden - zu Gebieten, in denen MigrantInnen, Flüchtlinge, VertreterInnen von Minderheiten, politisch Andersdenkende um ihre Sicherheit fürchten müssen. Die gar nicht so missverständlichen Äußerungen des Bürgermeisters von Mügeln zeigen, dass rechtsextremes Gedankengut längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Es existiert ein Nährboden antidemokratischer, rassistischer, antisemitischer und homophober Einstellungen in großen Teilen der Bevölkerung. Gleichzeitig hat der Rechtsradikalismus sein Gesicht verändert und ist damit noch gefährlicher geworden. Neben Springerstiefeln und Glatzen sind rechtsextreme Demagogen angetreten, die sich auf kommunaler Ebene, z.B. in Bürgerinitiativen, engagieren. Die Ziele der Neonazis sind dabei aber unverändert geblieben. Das demokratische, plurale, freiheitliche System soll abgeschafft und durch eine diktatorische, autoritäre Ordnung abgelöst werden.

Die NPD als aktiv verfassungsfeindliche und Partei

Die NPD nimmt eine zentrale Rolle in der rechtsextremen Szene ein. Unter dem Einfluss einer neuen militanten Führungsschicht hat sich die NPD dabei in den letzten Jahren von einer Altherrenpartei zu einer streng gegliederten Kaderpartei gewandelt. Auch deshalb ist die parlamentarische Präsenz der NPD nicht von vornherein als vorübergehend zu bewerten. Die Ergebnisse vor allem in den östlichen Bundesländern und die Zuwächse bei den ErstwählerInnen bundesweit zeigen diese Gefahr. Die Äußerungen der parlamentarischen Vertreter der NPD sind von Feindseligkeit, Menschenverachtung, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus geprägt. Die scheinbare Normalität der Existenz einer verfassungsfeindlichen Partei in den Länderparlamenten erschwert die politische Auseinandersetzung und behindert ein Verbot der Partei.

Die NPD zieht aber vor allem außerparlamentarisch früher zersplitterte Wehrsportgruppen, Kameradschaften und „Freie Nationalisten“ an sich und bietet ihnen eine Organisationsplattform zur Bekämpfung der Demokratie. Die offen gewalttätigen Folgen dieser Strategien zeigen sich in Wahlkämpfen. In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin griffen gewaltbereite Anhänger der NPD Wahlstände demokratischer Parteien an. Im Umfeld der NPD wird auch offen über terroristische Strategien diskutiert. Solche Vorkommnisse und Erscheinungen lassen sich zwar strafrechtlich nicht unmittelbar der NPD zurechnen, so dass die eigentlichen geistigen Brandstifter nicht zur Verantwortung gezogen werden können. Ihre Häufung und Verfestigung steht aber im direkten Zusammenhang mit dem Erstarken der NPD und dem Mitgliederzuwachs der Partei.

Kein neuer Gang nach Karlsruhe: Aus dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren
lernen

Die Entwicklungen im Zusammenhang mit der NPD zeichneten sich schon Ende der 90er Jahr ab, weshalb im Jahr 2001 alle drei Verfassungsorgane (Bundestag, Bundesrat und rot-grüne Bundesregierung) beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Antrag nach Artikel 21 Grundgesetz auf Verbot der Partei stellten. Nach sorgsamer Abwägung der Vor- und Nachteile eines Parteiverbotes haben Bündnis 90/Die Grünen den Antrag damals unterstützt. In einem Punkt hatten wir keine Zweifel: Die Aktivitäten vieler Anhänger der NPD, ihr Programm und die Politik ihrer Führung belegen nach unserer Auffassung die aktiv-kämpferische, aggressive Grundhaltung gegen unsere Demokratie.

Das Verbotsverfahren scheiterte im März 2003 an der Unfähigkeit des Bundesinnenministers und der Innenminister der Länder, die Hürden auf dem Weg zur notwendigen Bekämpfung einer verfassungsfeindlichen Partei zu beseitigen. Das Bekanntwerden der Aktivitäten von V-Leuten in der Führungsriege der NPD hat dazu geführt, dass das Bundesverfassungsgericht den Verbotsantrag gar nicht erst zugelassen hat. Ein Verbot der NPD wäre ein schwerer Schlag für die rechtsextreme Szene gewesen, da dieses nicht nur die Partei selbst, sondern auch alle vom gleichen Personal neu gegründeten Nachfolgeorganisationen mit betroffen hätte. Allerdings wäre das Problem der rechtsextremistischen Anhängerschaft in der Gesellschaft letztlich nicht beseitigt gewesen.

Das Scheitern des Verbotsantrages hatte letztlich fatale Folgen: Die Anhänger und Sympathisanten der NPD feierten die Entscheidung als Sieg. Dreist und in irreführender Weise konnte die NPD behaupten, das Bundesverfassungsgericht habe der Partei attestiert, sie wäre nicht verfassungsfeindlich.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen wäre die Anstrengung eines erneuten Parteiverbotsverfahrens derzeit kontraproduktiv. Das Risiko des Scheiterns ist beträchtlich, da die Gründe, die im Jahre 2003 zum Scheitern des Verbotes geführt haben, unverändert fortbestehen. Und ob es zu verantworten wäre, zunächst alle V-Leute aus der NPD abzuziehen, ist zweifelhaft, zumal womöglich nur solche Beweismittel zulässig wären, die erst nach Abschalten des letzten V-Mannes aus den Leitungsebenen sowohl im Bund, als auch in sämtlichen Bundesländern entstanden sind.

Jenseits aller Verfahrensfragen und der V-Mann-Problematik steht ein Verbotsverfahren durch die Europäische Rechtssprechung noch vor weiteren juristischen Unwägbarkeiten. Denn wer ein neuerliches NPD-Verbotsverfahren prüft, muss nicht nur dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes im ersten NPD-Verbotsverfahren durch rechtzeitige Abschaltung der V-Leute Rechnung tragen. Geprüft werden muss auch, ob ein Verbotsantrag vor dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angelegten, strengen Prüfmaßstab der Verhältnismäßigkeit Bestand hat. Dieser geht über die materiellen Prüfungsmaßstäbe der Verbotsurteile KPD und SRP hinaus. Es ist leicht darzulegen, dass die NPD aggressiv und kämpferisch gegen die verfassungsrechtliche Ordnung vorgeht. Es ist aber kaum darzulegen, dass sie unsere Demokratie gegenwärtig akut gefährden kann.

Deshalb: Im Hinblick auf eine angemessene Auseinandersetzung mit der NPD steht die politische Bekämpfung des Rechtsextremismus im Vordergrund. Diese ist und bleibt unerlässlich und zwar auch im Falle eines NPD-Verbotes, da auch im Zuge eines solchen die handelnden Personen nicht von der Bildfläche verschwinden.“

Mit freundlichen Grüßen
RA Hasso Suliak (pers. Referent)