Frage an Volker Beck von Peter L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Beck,
die taz gibt Ihnen recht. Der KSTA findet, Sie hätten dem Kardinal eher geholfen.
Haben Sie mit diesem Echo auf ihre Äußerungen über die jüngsten Entgleisungen des Kardinals gerechnet?
Würden Sie das noch einmal so ("selbstgerechter Hassperediger") formulieren?
MIt freundlichen Grüßen
Peter Lang
Sehr geehrter Herr Lang,
die kritisierte Predigt würdigt ganze Gruppen von Menschen herab, sie ist von einer leidenschaftlichen Abneigung gegenüber diesen Gruppen gekennzeichnet. Eine solche leidenschaftliche Abneigung bezeichnet man für gewöhnlich als Hass. Insofern kann diese Predigt auch Hass schüren.
In der öffentlichen Diskussion haben allerdings Einige den Begriff „Hassprediger“ so verstanden oder verstehen wollen, als ob ich ihn in einem Sinne verwendet hätte, wie er im Zusammenhang um das Zuwanderungsgesetz gebraucht wurde. So hatte ich ihn nicht gemeint und das habe ich auch am Wochenende bereits zum Ausdruck gebracht: Kardinal Meisners Äußerungen enthalten keine Aufforderung zu Gewalt und nichts liegt mir ferner als ihn in die Nähe von Terroristen oder Selbstmordattentätern zu rücken.
Um die Debatte zu deeskalieren und zu einer Diskussion über die problematische Predigt zu kommen, habe ich deshalb gestern gesagt: „Ich würde den Begriff „Hassprediger“ in diesem Zusammenhang nicht mehr benutzen, weil er – wie mir durch die Reaktionen nunmehr klar geworden ist – von vielen ausschließlich im Zusammenhang mit der Aufstachelung zu Gewalttaten und Morden in Verbindung gebracht wird. Dies wollte ich Kardinal Meisner selbstverständlich zu keinem Zeitpunkt unterstellen.“
An der inhaltlichen Kritik an seiner Predigt habe ich allerdings nichts zurückzunehmen.
Im Gegenteil: Ich erwarte von der katholischen Kirche in Deutschland, dass sie sich von diesen Angriffen auf die Menschenwürde anderer in Meisners Rede klar distanziert. Auch der Kardinal sollte erklären, dass er diese Angriffe nicht aufrechterhält. Denn auch Bischöfe und Kardinäle sind nicht sakrosankt. Die Inanspruchnahme der Religionsfreiheit kann solche Tiraden nicht rechtfertigen oder entschuldigen.
In seiner Predigt kommt folgendes zum Ausdruck: Kardinal Meisner mag keine Frauen, die abgetrieben haben, Homosexuelle und alle anderen Menschen, die außerhalb der Ehe Sexualität leben oder zusammenleben. Er empfindet vielmehr gegenüber solchen Menschen eine leidenschaftliche Abneigung und Verachtung. Für gewöhnlich nennt man eine solche leidenschaftliche Abneigung Hass. Ausschließlich auf diese Herabwürdigung wollte ich mit meiner Äußerung aufmerksam machen.
Was er über Frauen, die abgetrieben haben, und über Menschen, die andere Lebensformen leben als die Ehe, gesagt hat, ist und bleibt eine Unverschämtheit.
Er behauptet, „mit jeder Abtreibung [stirbt] auch ein Teil der mütterlichen Seele….“ „Eine Abtreibung etwa ….macht eine Frau älter als ein halbes Dutzend Geburten.“ Im Kontext wird nahe gelegt, dass diese Frauen für ihn hässlich sind. Über „alle so genannten alternativen Modelle des menschlichen sexuellen Zusammenlebens“ bricht er den Stab, bezeichnet sie als „unwahr“ und „verderblich“. Sie machten ihr „eigenes Dasein unwahr“ und löschen ihre Existenz damit ontologisch aus.
Diese Worte sind nicht einfach das Vertreten der kirchlichen Lehre, sie betonen auch nicht den Schutz von Ehe und Familie und lassen sich auch mit einer Mahnung vor der Gottvergessenheit der Moderne nicht rechtfertigen.
Meisners Predigten würdigen immer wieder Menschen herab und seine Predigten sind so oft auch geeignet Hass gegen diese Gruppen zu schüren. In diesem Sinne sind Meisners Einlassungen immer wieder Grund zur Empörung. Auch gerade weil solche Sentenzen nicht einmalige Ereignisse sind, sondern immer wieder fallen.
*Der Erzbischof soll im Oktober 03 in einem Referat in Budapest Homosexuelle diffamiert zu haben. In seinem Referat soll Meisner Drogensüchtige, Terroristen, Der Erzbischof soll in einem Referat in Budapest Homosexuelle diffamiert zu haben. In seinem Referat soll Meisner Drogensüchtige, Terroristen, Wissenschaftsgläubige und die Homosexualität als eine "Bedrohung der europäischen Werteordnung" bezeichnet haben. Der europäische Mensch müsse diese "Gifte ausschwitzen", soll Meisner weiter gesagt haben. Die Staatsanwaltschaft verneint den strafrechtlichen Vorwurf der Volksverhetzung: „"Meisner hat allgemein über Homosexualität aus Sicht der katholischen Moral, nicht aber über Homosexuelle gesprochen. Somit sind auch keine Äußerungen gegen homosexuelle Menschen getätigt worden.“
*Im August.2005 wiederholt er seine Verurteilung der Homosexualität in einem Interview bei Spiegel online und diffamiert die 68-er: Kinder würden zu "geistigen Krüppeln", wenn sie von ihren Eltern nicht "die Wirklichkeit Gottes" eröffnet bekämen. "Sehen Sie sich diese Eltern an! Viele gehören noch zu den 68ern. Das sind metaphysische Asylanten, Obdachlose", so der Kardinal.
*2005 sagt er in einer Predigt zu Heilig Drei König: "Zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen vernichten ließen. Und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht".
*Zu Angela Merkel sagte er dereinst: „Wie konnte eine Frau Familienministerin werden, die geschieden ist und mit einem geschiedenen Mann zusammenlebt?“
Ich hoffe, dass es jetzt zu einer kritischen Debatte über die Aussagen des Kölner Erzbischofs kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Beck