Frage an Volker Beck von Kathrin S. bezüglich Soziale Sicherung
Der Kindergeldzuschlag ist eine Mogelpackung. Geringverdiener, die mit ihrem Einkommen unter dem festgelegten Existenzminimumsatz liegen, kriegen aufgrund einer „unglaubwürdigen Existenz“ keinen Kindergeldzuschlag, obwohl dieser ja gerade Hilfebedürftigkeit vermeiden, sowie vor Kinderarmut schützen soll. Mir selbst ist im Ablehnungsbescheid der Grund angegeben worden, dass mein eigenes Einkommen noch nicht mal ausreichen würde, um meinen eigenen Bedarf decken zu können. Aus diesem Grund wurde mir ein Anspruch auf Kindergeldzuschlag verwehrt. Dabei soll noch kurz erwähnt werden, dass ich Studentin bin (30), nebenbei als freiberufliche Grafikerin arbeite und zudem alleinerziehende Mutter eines neunjährigen Kindes bin. Ich bekomme weder Bafög, noch Hilfe zum Lebensunterhalt, denn als Student ist man nicht antragsberechtigt.
Nun hat sich die Situation etwas geändert, und ich habe erneut einen Antrag auf Kindergeldzuschlag gestellt. Mein Einkommen beträgt ca. 700 Euro und ich erhalte zusätzlich 150 Euro Unterhalt vom Kindesvater. Nun wurde der Bescheid mit der Begründung abgelehnt, mein Kind würde mit 150 Euro über zu viel Einkommen verfügen. Aus diesem Grund schied nunmehr zum zweiten Mal ein Anspruch auf Kindergeldzuschlag mit einer mehr als fragwürdigen Begründung aus. Ich habe den Ablehnungsbescheid von einer Anwältin prüfen lassen, und sie hat mir von einem Widerspruch abgeraten, der nach ihrer Meinung zwecklos wäre. Ich sei zudem bei weitem nicht der einzige Fall, der von dieser Ungerechtigkeit betroffen ist. Durch den Kindergeldzuschlag soll doch Hilfebedürftigkeit sowie Kinderarmut vermieden werden, oder? Wie kann es dann sein, dass er gerade denjenigen verweigert wird, die dringend auf zusätzliches Geld angewiesen sind? Erklären Sie mir bitte, wie die politischen Akteure den Kindergeldzuschlag angesichts dieser niederschmetternden Tatsachen noch als Triumpf verkaufen können, und warum hier nicht eine dringend notwendige Korrektur vorgenommen wird?
Sehr geehrte Frau Stein,
zunächst kann ich Ihrer Anwältin im Hinblick auf Ihre Bemerkung, dass Sie nicht die Einzige seien, deren Antrag abgelehnt wurde, nur zustimmen. Zurzeit steht der bürokratische Aufwand zur Beantragung des Zuschlags in keinem Verhältnis zur tatsächlichen Bewilligungsquote. Leider ist es traurige Realität, dass nur 12% derjenigen, die einen Antrag auf Kinderzuschlag stellen, diesen auch erhalten. Diese Zahl macht deutlich, wie notwendig eine Weiterentwicklung des Instrumentes ist, um auch wirklich alle einkommensschwachen Familien zu erreichen. Der Kinderzuschlag wurde mit dem Ziel eingeführt, diejenigen Familien zu unterstützen, in denen das Einkommen der Eltern ausreicht, um den Unterhalt der Eltern, nicht aber den der Kinder vollständig zu sichern. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition hieß es, man wolle materielle Kinderarmut reduzieren und hierzu den Kinderzuschlag mit Wirkung ab dem Jahr 2006 weiterentwickeln. Passiert ist seit 2 Jahren allerdings fast gar nichts. Erst im April dieses Jahres gab es die Ankündigung, dass der Kinderzuschlag ausgeweitet werden solle. Ziel war es, den Empfängerkreis von jetzt 124.000 Kindern auf 530.000 Kinder zu erweitern. Anstatt die angestrebte Reform zügig auf den Weg zu bringen, verharrt die Große Koalition auf dem Punkt eines "Zuständigkeitsgerangels" zwischen Familien- und Arbeitsministerium. Der Streit, der auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen wird, macht deutlich, dass sich beide Volksparteien mit diesem Thema profilieren wollen. Sollten eigentlich bereits Ende September Eckpunkte vorgelegt werden, hat man die Entscheidung wieder bis zur nächsten Koalitionsrunde Anfang November vertagt. Der einzige Punkt, auf den man sich verständigen konnte, war die Befristung des Kinderzuschlags auf 36 Monate abzuschaffen. Diese Maßnahme ist zwar begrüßenswert, aber nicht ausreichend. Notwendig ist eine weitergehende Modernisierung und Neustrukturierung des Kinderzuschlags, insbesondere im Hinblick auf eine Lockerung der bisher starren Einkommensgrenzen zur Bewilligung des Kinderzuschlags, eine Vereinfachung des Antragsverfahrens sowie eine Änderung der anteiligen Anrechnung des übersteigenden Elterneinkommens von 70 auf 50%.
Klar ist: Je länger keine Einigung stattfindet und keine Entscheidungen getroffen werden, desto mehr wertvolle Zeit geht verloren, um die Reformen umgehend auf den Weg zu bringen. Klar ist auch, des eines umfassenden Maßnahmenpaktes bedarf, um Kinder- und Familienarmut wirklich zu bekämpfen.
Sollten Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich bitte an die zuständige grüne Abgeordnete, Frau Ekin Deligöz MdB.
Mit freundlichen Grüßen und alles Gute,
Büro Volker Beck