Frage an Volker Beck von Hans O. bezüglich Recht
Herr Beck,
nachdem der Kongress das Matthew-Shepard-Gesetz verabschiedet hat, was halten Sie von dem Vorstoss von Sachsen-Anhalt und Brandenburg gegen Hassverbrechen.
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter Herr Orloff,
es ist sehr zu begrüßen, dass der US-Senat mit deutlicher Mehrheit dafür votiert hat, auch antihomosexuelle Straftaten in die bereits bestehende Gesetzgebung zu minderheitenfeindlicher Gewalt („Hate Crimes“) aufzunehmen.
Vieles an der konkreten Ausgestaltung der Hate-Crime-Gesetzgebung ist aber sehr spezifisch us-amerikanisch und nur schwer in das deutsche Rechtssystem übertragbar. Begrüßenswert ist freilich der Impuls hinter dem Hate-Crime-Konzept, nämlich das Bemühen, die Gesamtgesellschaft für die spezifische Gefährdung von Minderheiten zu sensibilisieren und für deren Schutz zu mobilisieren.
Typische Hassverbrechen zielen nicht nur auf das unmittelbare Opfer, sondern auf eine ganze Gruppe. Gewalttätige Verbrechen aus Hass sollen die Botschaft aussenden, dass bestimmte Menschen nicht toleriert werden, z.B. wegen ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen Herkunft, sexuellen Identität, Religion oder wegen einer Behinderung. Solchen Verbrechen kommt daher in der Tat eine besondere gesellschaftliche Bedeutung zu.
Die Länder Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben einen Vorstoß für eine Art Hate-Crime-Gesetzgebung im Bundesrat gestartet. Es ist gut, dass hier eine Diskussion angestoßen wird.
So würde ich nicht im Strafgesetzbuch, sondern allenfalls in der Strafprozessordnung ansetzen. Anders als bei schweren Delikten wie Mord, Totschlag oder Raub erhebt die Staatsanwaltschaft bei Delikten wie Beleidigung, Bedrohung, einfacher Körperverletzung oder Sachbeschädigung nur dann öffentliche Klage, wenn dies „im öffentlichen Interesse“ liegt. Ansonsten werden die Verletzten auf den Weg der Privatklage verwiesen.
Es wäre daher zu überlegen, ob eine Regelung gefunden werden kann, in der klargestellt wird, dass ein „öffentliches Interesse“ an der Strafverfolgung immer dann vorliegt, wenn die Tat einen minderheitenfeindlichen Hintergrund hat und somit von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung ist. Die konkreten Gesetzesvorschläge aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt sind eher zweifelhaft: Von der zwingenden Verbüßung kurzer Freiheitsstrafen halte ich unter Resozialisierungsgesichtspunkten angesichts der Realität in unseren Vollzugsanstalten gar nichts. Und bei der Strafzumessung spielen schon heute die Beweggründe und die Ziele des Täters sowie die Gesinnung eine Rolle. Die Initiative der beiden Länder ist daher ein rechtspolitisches Placebo. Gut gemeint - nicht durchdacht.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Volker Beck