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Volker Beck
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Frage von Sigrid M. •

Frage an Volker Beck von Sigrid M. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter Beck,

wie ist es zu erklären, dass meine beiden Kinder auf dem Gymnasium die Nazi-Geschichte - und natürlich besonders die Nazi-Verbrechen - bis zum "Erbrechen" gelehrt bekommen, dass die Geschichte und die Verbrechen der SED-Diktatur aber völlig ausgeklammert werden? Selbst unsere Austauschschüler aus Frankreich sprachen meine Kinder offen auf IHRE deutschen Verbrechen als Nazis in den KZs Ausschwitz und Buchenwald an, aber die KZs der SED-Diktatur waren den Franzosen völlig unbekannt.

Ist es die Absicht der europäischen Lehrpläne an den höheren Schulen, den deutschen Kindern eine kollektive Erbschuld für die Verbrechen der Nazi-Zeit einzureden, aber gleichzeitig die neuere und auch die ältere Geschichte zu klittieren?

Wenn Verbrechen europäischer Diktaturen die Lehrinhalte sind, dürfen m.E. die Verbrechen eines Mussolini, eines Franco, eines Petàin, eines Stalin, eines Honnecker, eines Mielke usw. nicht ausgeklammert werden.
Hierzu gehört nach meinem Demokratieverständnis auch und gerade, dass die Kinder die politische Vergangenheit unserer aktuellen Politiker erfahren dürfen. Auch wenn ein Herr Pofalla peinlich berührt wird, so gehört hierzu gerade auch die Verantwortung unserer Kanzlerin Merkel für IHRE leitende FDJ-Funktion als Sekretärin für Agitation und Hetzpropaganda der SED. Wenn die DDR-Jugend durch solche führenden FDJ-Funktonäre politisch verblendet wurde, so darf sich das an unseren heutigen Schulen jedenfalls nicht wiederholen! Willy Brandt hatte den Kniefall vor den Opfern der NS-Diktatur vollbracht; von der FDJ Sekretärin Merkel habe ich keinen Kniefall vor den Angehörigen der DDR-KZ-Opfer und Mauertoten erlebt.

Stimmen Sie mit mir darüber ein, dass alle Verantwortlichen zur Stützung der SED-Diktatur - ohne jedes Ansehen der Person - im Politikunterricht hinterfragt werden sollten?

Der Politikunterricht in Europa darf nicht auf 12-Jahre NS-Diktatur fokussiert bleiben, meinen Sie nicht auch?

Ihre

Sigi Meyer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Meyer,

de Holocaust war einzigartig in seiner Brutalität und in seinem Vernichtungswillen. Aber selbstverständlich darf der Politik- oder Geschichtsunterricht in Europa nicht allein "auf 12-Jahre NS-Diktatur fokussiert" bleiben. Es wäre mir ehrlich gesagt aber auch neu, wenn dies in der Praxis irgendwo der Fall wäre.

Tatsache ist, dass der nationalsozialistische Unrechtsstaat mit seinem unglaublichen Genozid ein herausragend abschreckendes und schreckliches Regime war, das eine gründliche Befassung im Lehrplan der Schüler erfordert. Dies umso mehr, da viele Phänomene, die auch zum Bestandteil der NS-Diktatur gehörten oder zu diesem Regime hinführten, auch heute noch gesellschaftlich ausgeprägt sind, so dass eine Beschäftigung hiermit - leider - immer noch - auch aus aktuellem Anlass - vonnöten ist. Ich meine damit Phänomene wie Antisemitismus, Rassismus, Homophobie oder Diskriminierungen von Minderheiten generell.

Über Ursachen und Auswüchse der NS-Diktatur zu lehren, bedeutet aber nach meinem Verständnis nicht, andere Unrechtsregime im Lehrplan auszublenden. So gehört gewiss auch eine intensive Aufarbeitung des DDR-Unrechts in den Unterricht, ohne allerdings die DDR mit dem NS-Staat und seinen Massenmorden gleichzusetzen. Auch die Verbrechen Stalins und Lenins in der Sowjetunion verdienen eine historische Aufarbeitung.

Was die von Ihnen angesprochene Biographie von Frau Merkel anbelangt, so habe ich - auch wenn ich ansonsten politisch einiges an Frau Merkel zu kritisieren habe- keinen Zweifel daran, dass Frau Merkel das Leid der Angehörigen von Opfern der SED-Diktatur bedauert.
Ihren Versuch der Gleichsetzung der DDR mit dem nationalsozialistischen Terrorregime weise ich als historisch unangemessen zurück.

Mit freundlichen Grüßen
Büro Volker Beck