Frage an Volker Beck von Ute H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
wie Sie wissen, wird jetzt das Rentenalter auf 67 Jahre angehoben – nicht aber für Beamte. Damit werden die Menschen, denen die Politik ohnehin schon das totgeborene Kind „Generationenprinzip der Rentenversicherung“ untergeschoben hat, erneut bestraft, nämlich mit einer versteckten Rentenkürzung.
Wird ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig berufsunfähig, ohne sich zum Beispiel durch eine private Berufsunfähigkeitsversicherung rechtzeitig wie hochgradig abgesichert zu haben, droht nicht selten ein bodenloser Sturz in die Armut und in die Sozialsysteme, obwohl früher fleißig in die Kassen eingezahlt wurde. Beamte hingegen behalten nach wie vor auch bei vorzeitiger Pensionierung - aus welchem Grund auch immer - den vollen Pensionsanspruch.
Stichwort „Gesundheitswesen“: Während sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Krankheitsfall bei ihrer Krankenkasse um Leistungen betteln oder immer tiefer in die Taschen greifen müssen, erhalten Beamte über die Beihilfe eine „Versorgung à la Privatversicherter“. Zuzahlung oder Zusatzversicherung? Nicht nötig, dafür halten Steuermittel her, und notfalls wird eben einfach neu verschuldet.
Viele weitere Beispiele, in denen Beamte deutlich besser gestellt sind, könnten hier noch angeführt werden.
In Zeiten knapper Kassen, so der bekannte Slogan, ist Solidarität von allen gefordert. Nach meinem Verständnis betrifft das auch die Beamten, deren Lobby in den Parlamenten ein erdrückendes Übergewicht hat, was der allgemeinen Politikverdrossenheit gewiss auch mit Vorschub leistet. Steuergelder müssen denen zugute kommen, die sie eingezahlt haben, und nicht insbesondere denen, die sie u.a. verwalten. Es sollten also endlich auch die Beamten in Sachen „private Vorsorge“ mit in die Pflicht genommen werden, um Löcher im Gesundheits- und vor allem im Rentensystem zumindest teilweise stopfen zu können!
Was halten Sie von dem hier beschriebenen Solidaritätsprinzip?
Sie sprechen eine seit Jahren diskutierte strukturelle Ungerechtigkeit an, die wir beseitigen möchten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich stets für eine umfassende Reform des öffentlichen Dienstrechtes eingesetzt. Das Ziel bleibt die Schaffung eines einheitlichen Dienstrechtes. Hierfür hat die sog. Bull-Kommission ein umfassendes Konzept entwickelt, das aber im Vorfeld des letzten Wahlkampfes in NRW wieder in den Schubladen verschwand.
Wir brauchen eine grundlegende Reform der Versorgung und der Krankenversorgung i.S.e. Einbeziehung von Beamten in eine zu schaffende Bürgerversicherung. Leider ist die -jedenfalls für den Berreich der Versorgung- hierfür notwendige 2/3-Mehrheit für eine entsprechende Verfassungsänderung weder im Bundestag noch im Bundesrat in Sicht. Im Übrigen haben wir uns unter Rot-Grün stets dafür eingesetzt, die im Gesundheits- und Rentenbereich vorgenommen Kürzungen zumindest wirkungsgleich auf die Beamten zu übertragen. Beispielsweise haben wir die in den Rentenversicherungen vollzogene Absenkung des Rentenniveaus durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 (Absenkung der Höchstversorgung von 75 % auf 71,75 %) auf den Beamtenbereich übertragen. Mit dem Versorgungsnachhaltigkeitsgesetz (weitere schrittweise Absenkung des Höchstversorgungssatzes auf 71,13 % in 2010) wollten wir die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors in der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Beamtenbereich übertragen werden. Es wurde im Bundesrat gestoppt.