Frage an Volker Beck von Robert M. bezüglich Frauen
Guten Tag Herr Beck,
halten Sie das Frauenbild und die Haltung gegenüber Homosexuellen im Islam für kompatibel mit westlichen Werten?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Mehlitz
Sehr geehrter Herr Mehlitz,
die Gleichberechtigung von Männern und Frauen und das Diskriminierungsverbot aufgrund der sexuellen Identität für Homosexuelle und Transsexuelle sind nicht westliche Werte, sondern Konkretisierungen der Menschenwürde, die im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt), in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und dem Grundgesetz (GG) rechtlich verankert sind.
Alle drei abrahamitischen Religionen, das Judentum, das Christentum und der Islam, sind in ihrer Tradition ursprünglich von patriarchalen Geschlechter- und Sexualvorstellungen geprägt und stehen damit im Widerspruch und einem Spannungsverhältnis zu den Menschenrechten. Obwohl ihre heiligen Texte, Tanach, Bibel und Koran, homosexuell veranlagte Menschen nicht kennen, sondern im wesentlichen homosexuelle Handlungen von Heterosexuellen verurteilen, hatte sich in ihren Traditionen die Verurteilung homosexueller Handlungen bis in die Neuere Geschichte hinein gehalten. In allen drei heiligen Texten findet man eine Überordnung des Mannes gegenüber der Frau. Die katholische Kirche hält bis heute auch unverändert am Verbot der Frauenordination fest.
Heute hat sich in allen drei dieser Weltreligionen eine Pluralisierung der Haltungen zu diesen Themen entwickelt. Auch in der Bundesrepublik hielten sich noch über viele Jahrzehnte gesetzliche Vorstellungen, die sich aus archaischen Vorstellungen des Christentums speisten: Im Grundgesetz wurde die Gleichberechtigung von Mann und Frau zwar 1949 festgeschrieben, aber erst 1957 wurde die ökonomische Entmündigung der Ehefrau beseitigt, 1997 die Vergewaltigung in der Ehe ins Strafgesetzbuch aufgenommen und 1969 die Strafbarkeit der männlichen Homosexualität liberalisiert und erst 1994 vollständig beseitigt.
Die tatsächlichen Verhältnisse sind also nicht so einfach, wie Sie sie in Ihrer Fragestellung suggerieren: Die deutschen "C"-Parteien, CDU und CSU, lehnen auch heute noch mehrheitlich die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare bzw. die vollständige Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe ab, wohingegen knapp die Hälfte der Muslime in Deutschland diese Forderung beispielsweise unterstützt. (http://www.focus.de/politik/deutschland/muslime-fuer-volle-gleichstellung-homosexueller-paare_aid_932707.html , http://www.queer.de/detail.php?article_id=22993). Auch in den USA sind Muslime liberaler als beispielsweise Evangelikale (http://www.huffingtonpost.com/james-peron/the-gay-conspiracy-to-destroy-christianity-really_b_7280564.html?ncid=tweetlnkushpmg00000054).
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Rechte der von LGBTTI gilt es gegen religiös begründete archaische Geschlechterrollendefinitionen und Sexualvorstellungen zu verteidigen. Das Menschenrecht der negativen Religionsfreiheit schützt das Recht aller Bürger*innen, unbehelligt von den moralischen oder patriarchalen Vorstellungen der Mehrheit ihre Persönlichkeit frei zu entfalten und schützt sie vor Diskriminierungen.
Während dies in den mehrheitlich christlich geprägten Ländern Europas und Amerikas ebenso wie in Australien und Neuseeland zunehmend anerkannt wird, werden die bürgerlichen und politischen Rechte von Homo- und Transsexuellen in den christlich und kommunistisch geprägten Staaten der ehemaligen Sowjetunion durch sogenannte Propagandagesetze ignoriert.
In zahlreichen mehrheitlich christlich und muslimisch geprägten Staaten Afrikas und Asiens, aber auch im mehrheitlich hinduistischen Indien, wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt, in einigen muslimischen Staaten aufgrund der Anwendung der Scharia im Strafrecht mit der Todesstrafe. Gilt die Scharia als weltliches Straf- und Familienrecht sind die Menschenrechte von Frauen, Homo- und Transsexuellen meist weitgehend außer Kraft gesetzt. Diese Menschenrechtsverletzungen geschehen mit der Billigung vieler islamischer Autoritäten in diesen Ländern. Aber auch katholische Bischofskonferenzen fordern im Namen des Christentums die menschenrechtswidrige strafrechtliche Verfolgung der Homosexualität und bejubeln Strafverschärfungen, so z.B. die nigerianische katholische Bischofskonferenz (http://www.cbcn-ng.org/newsdetail.php?tab=287).
In Deutschland fällt auf, dass Islamhasser und selbsternannte "Islam-Kritiker", wie Pegida oder AfD, mit Islamisten in der Geschlechter- und Sexualpolitik nicht unerhebliche Schnittmengen haben: Sie lehnen Gleichstellungspolitik (z.B. Frauenquote, Gendermainstreaming, ...), gleiche Rechte für Homo- und Transsexuelle oder Sexualaufklärung ebenso wie Erziehung zu Respekt vor sexueller Vielfalt (Bildungspläne) ab. Diesen undemokratischen und menschenrechtswidrigen Haltungen müssen Demokrat*innen entgegentreten egal, ob sie von Muslimen oder Nicht-Muslimen geäußert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Team Volker Beck