Frage an Volker Beck von Stefan M. bezüglich Finanzen
Morgen Herr Beck,
so wie es aussieht, hat Deutschland der Steuer auf Aktien- und Anleihentransaktionen mit auf dem Weg gebracht. Prinizipiell finde ich dies auch in Ordnung, da aufgrund des geringen Steuersatzes überwiegend Zocker und Spieler und etwas weniger Investoren und Langfristanleger betroffen sind.
Nur mich wundert, dass die Bürger zur eigenverantwortlichen Altersvorsorge gebeten werden, da das Rentenniveau weiter sinkt, aber es immer schwerer bzw. unattraktiver gemacht wird, selbst Geld anzulegen. Negativpunkte sind:
1. die Inflation, die schon etwas so hoch ist, wie die Zinsen für Sparguthaben. Zur Zeit etwa 2%.
2. Abgeltungssteuer mit Soli und Kirchensteuer bei ca. 27% auf Gewinne, auch auf Inflationsgewinne. Diese soll nach dem Willen Ihrer Partei weiter angehoben werden.
3. Wegfall jeglicher Spekulationsfrist, was am Schlimmsten für die Altersvorsorge ist.
4. Zusätzliche Transaktionssteuer, die den geringsten Teil ausmacht.
Praktisches Beispiel:
Gemischte Anlage aus Aktien und Anleihen im Wert von 100 000 € mit einer Wertentwicklung von z.B. 30% in 10 Jahren. In den 10 Jahren wird 3 mal umgeschichtet (0.4% Steuern).
Von den 30 000€ Gewinn gehen näherungsweise
1.) 22 000€ für die Inflation verloren.
2.) 8100€ für die Abgeltunssteuer
3.) aufgrund des Wegfalls der Spekulationsfrist bleibt der volle Steuersatz bestehen
4.) über 400€ Transaktionssteuern
Das heißt demnach, dass bei einem Gewinn von 30 000€ insgesamt Verluste inkl. Inflation von mindestens 30500€ gegenüber stehen. Also ein Minusgeschäft. Also ganz anders, als die vom linken Lager propagierte Bereicherung der wohlhabenden Schicht durch zu niedrige Kapitalsteuern.
Dazu habe ich folgende Fragen:
Wie stehen die Grünen grundsätzlich zu diesem Thema, besonders zum Thema langfristige Altersvorsorge?
Welche Konzepte sind für den Fall eines Wahlsieges bzw. für den Fall der Regierungsablösung geplant?
Sehr geehrter Herr Müller,
Vielen Dank für Ihre Frage. Die Zusammenhänge sind komplex. Die Finanzkrise und die sich daraus ergebende Eurokrise zeigt direkt das momentane Problem: Die Geldvermögen der Einen sind immer die Schulden der Anderen. Die Finanzkrise hat ihren Ursprung in einer Verschuldungskrise von Banken und Privatpersonen. Diese private Überschuldung wurde im Rahmen der Bankenrettung von den Staaten übernommen. Aber die Eurokrise zeigt, dass dies auch einige Staaten in die Position gebracht hat, dass sie ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Nun sollen wieder andere Staaten diese übernehmen. Insgesamt ist diese Situation nicht nachhaltig, da insgesamt zu hohe Schulden – und weil Schulden immer auch das Vermögen der Anderen sind – zu hohe Vermögen aufgebaut wurden. Zu einer Reduktion dieser Schulden und damit auch der Vermögen gibt es aus unserer Sicht keine langfristig nachhaltige Alternative.
Dieser Schulden- und Vermögensabbau kann auf unterschiedlichem Wege zustande kommen. Einerseits durch eine im Verhältnis zur Inflation sehr niedrige Zinsen, die das Kapital aufzehrt, was sie zutreffend beschreiben. Diese Möglichkeit lehnen wir ab, da sie negative Verteilungswirkungen hat. Insbesondere kleinere Anleger investieren, weil sie sich weniger Risiken leisten können, in Anlagen mit niedrigen Renditen und verlieren ihr Vermögen, während die großen Vermögen oft sogar weiter wachsen. Daher haben wir immer wieder auf eine Beteiligung der Gläubiger und der Vermögenden bei der Lösung der Finanzkrise bestanden. Eine Möglichkeit die Vermögenden zu beteiligen ist unser Vorschlag einer einmaligen zweckgebundenen Vermögensabgabe. Nähere Informationen hierzu finden sie unter http://www.gruene-bundestag.de/uploads/tx_ttproducts/datasheet/f17-87vermoegen_web.pdf
Da die Grüne Vermögensabgabe die Vermögen insgesamt reduzieren würden, stünden den Geldanlagen weniger zu investierendes Kapital gegenüber. Da das Angebot an Kapital niedriger wäre, würde der Preis für Kapital – der Zins – sich erhöhen. Die Grüne Vermögensabgabe auf hohe Vermögen würde also reiche Personen – die überproportional von den vergangenen Hilfsmaßnahmen profitiert haben - treffen, während Kleinanleger durch die darauffolgenden höheren Renditen am Markt profitieren würden.
Weiterhin wollen wir die Abgeltungsteuer nicht – wie die SPD - erhöhen, sondern abschaffen. Zinsen und Veräußerungsgewinne sollen wieder mit dem persönlichen Einkommensteuersatz belastet werden. Ein einheitlicher niedriger Steuersatz auf Kapitalerträge auch bei sehr Vermögenden widerspricht unserer Vorstellung von Steuergerechtigkeit. Die Abgeltungsteuer hat sich zudem auch als administrativ schwierig und bürokratisch erwiesen und die Einnahmeerwartungen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Übersehen wird dabei oft, dass eine Abschaffung der Abgeltungsteuer auch Vorteile für Kleinanleger hat. So werden Dividenden derzeit beim Unternehmen mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer und beim Anleger mit Abgeltungsteuer belastet. Daraus ergibt sich eine Gesamtsteuerbelastung von über 48% auch bei Menschen mit niedrigem persönlichen Steuersatz. Dividenden werden dann etwa zur Hälfte der persönlichen Einkommensteuer unterwerfen. Gerade für Kleinanleger sinkt die Steuerbelastung dann von 48% auf 40% oder weniger. Eine Spekulationsfrist haben wir immer für einen Fehler gehalten. So ist es erwiesen, dass gerade die Allerreichsten unserer Gesellschaft einen besonders hohen Anteil ihres Einkommens aus Veräußerungsgewinnen beziehen, die dann gänzlich unversteuert werden. Im Bereich von Immobilien funktionieren bestimmte Anlagestrategien überhaupt nur wegen der Steuerfreiheit nach der 10jährigen Haltedauer.
Was die Finanztransaktionssteuer betrifft, stellen sie zutreffend fest, dass diese für Kleinanleger zu einer geringen Belastung führt. Außerdem wollen wir durch die Einführung der Steuer bewirken, dass auch das Kapital von Kleinanlegern langfristiger angelegt wird und weniger häufig umgeschichtet wird. Das macht unsere Wirtschaft insgesamt nachhaltiger und reduziert die Kosten der Steuer für den Kleinanleger auf ein Minimum.
Das größte Problem bei kleineren Anlegern und der privaten Altersvorsorge sind aus grüner Sicht die Kosten des Vertriebs. Diese übersteigen die Steuerbelastungen der Finanztransaktionssteuer um ein Vielfaches und oft auch die Wirkungen anderer Steuern. So fördert die öffentliche Hand im Rahmen der Riesterrente vor allem auch schlechte Produkte der Finanzwirtschaft und unterstützt weniger den Kleinsparer als vielmehr die Finanzbranche. Hier wollen wir im Falle eines grünen Wahlsieges ansetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Team Volker Beck