Frage an Volker Beck von Olaf Q. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Beck,
in Folge des vielbeachteten BGH-Urteils bzgl. der Tätigkeit einer Kölner Tagesmutter in einem Mehrfamilienhaus (V ZR 204/11) zeichnet es sich nun ab, dass nun immer mehr Tagesmütter Probleme bekommen.
Kinder im Haus gelten häufig als Störquelle und auf Grund des Urteils sehen viele (endlich?) eine Handhabe, die ungeliebten Tagesmütter, welche bisher in dieser Beziehung relativ unproblematisch ihre Tätigkeit ausüben konnten, aus den Häusern/Wohnungen zu klagen bzw. diese Tätigkeit zu untersagen.
Was wird nun von Seiten der Politik unternommen, um den Tagesmüttern wieder Rechtssicherheit und eine Perspektive zu geben? Tagesmütter sind unverzichtbar und es wird eine noch viel größere Zahl benötigt. Aber naturgemäß gehören diese in die Städte und nicht in Gewerbegebiete. Auch das Anmieten von externen Räumen - falls überhaupt möglich - erhöht deutlich die Kosten - entweder für die bezuschussende Kommune, die Eltern oder beiden.
Wie stehen Sie zu dieser Problematik und was wird von Seitens der Politk unternommen?
Danke !
Sehr geehrter Herr Quasdorff,
auch mich haben die Nachrichten zu dem BGH-Urteil bezüglich der Tätigkeit einer Tagespflegeperson in einem Mehrfamilienhaus einer Eigentümergemeinschaft zunächst beunruhigt. Denn bei der Realisierung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten 1. Lebensjahr leisten die Tageseltern einen wichtigen Beitrag.
Nach einer genaueren Lektüre des BGH-Urteils komme ich jedoch zu dem Schluss, dass dieses Urteil keine Auswirkung auf die Tätigkeit von Tageseltern hat. Denn bei dem von Ihnen angesprochenen Urteil handelt es sich um ein Einzelfallurteil. Zum einen, weil es sich in diesem Fall um eine Wohnungseigentümergemeinschaft handelt und zum anderen, weil es um die Frage ging, ob die Tagespflegeperson die Einwilligung der anderen Wohnungseigentümer entsprechend den Regelungen in der Teilungserklärung hinsichtlich der Nutzung der Wohnung eingeholt hat. Die Untersagung ist daher nur deshalb zu Recht erfolgt, weil die Tagesmutter keinen entsprechenden Antrag gestellt und den negativen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht angefochten hat. So steht es auch im letzten Absatz des BGH-Urteils: „Denn die Beklagten haben sich bisher zu keinem Zeitpunkt um die Erteilung einer Zustimmung zum Betrieb einer - nach Anzahl der zu betreuenden Kinder und zeitlichem Umfang konkret beschriebenen - Kindertagespflegestelle bemüht. Damit fehlt es schon an einer tatsächlichen Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob den Klägern ein Zustimmungsanspruch zusteht. Den Beklagten bleibt es aber unbenommen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. […] Über einen Antrag der Beklagten wäre unter Berücksichtigung der tatsächlichen konkreten Gegebenheiten innerhalb der Wohnungseigentumsanlage, der Wertungen des § 22 Abs. 1a BImSchG, die nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf das Wohnungseigentumsrecht ausstrahlen sollen, und der in der Teilungserklärung ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Erteilung von Auflagen zu entscheiden. Solange eine erforderliche Zustimmung aber nicht vorliegt, darf die Tagesmuttertätigkeit aufgrund des bestandskräftigen Untersagungsbeschlusses nicht fortgesetzt werden.“
Daraus ergibt sich zugleich, dass § 22 Abs. 1a BImSchG (Privilegierung von Kinderlärm) auch für das private Wohnungseigentumsrecht gilt. D.h. wenn die Tagespflegeperson einen Antrag stellt, müsste die WohnungseigentümerGemeinschaft darüber unter Berücksichtigung dieser Privilegierung entscheiden. Wenn sie diesen Antrag ablehnt, könnte die Tagespflegeperson ihn (vermutlich erfolgreich) anfechten und dann ihre Tätigkeit wieder aufnehmen bzw. weiterführen.
Freundliche Grüße,
Team Volker Beck