Frage an Volker Beck von Maik D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
zur Diskussion um die religiöse Beschneidung bei nicht einwilligungsfähigen Jungen möchte ich Ihnen folgende Fragen stellen:
In der FAZ ist ein offener Brief von Medizinern und Juristen erschienen, mit dem Titel "Offener Brief zur Beschneidung „Religionsfreiheit kann kein Freibrief für Gewalt sein“ - Welche Juristen und Mediziner in Deutschland sind Ihnen bekannt, die die religiöse Beschneidung in diesen Fällen, gedeckt durch die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern, eindeutig befürworten?
Gibt es Fälle in der Deutschen Justiz vor dem Kölner Urteil, in dem ein Gericht über die Strafbarkeit nach StGB der religiösen Beschneidung bei nicht einwilligungsfähigen Jungen geurteilt hat? - Ich möchte auf die Frage anspielen, ob das Kölner Urteil der bisherigen Rechtssprechung widerspricht oder ob es hier einen "rechtsfreien Raum" gab, wo bisher nie ein Gericht über diesen Sachverhalt geurteilt hat.
Zitat aus dem "Zwischenruf Juden und Muslime in Deutschland brauchen Rechtssicherheit":
"Wir möchten für eine differenzierte Betrachtung der grundrechtlichen Kollisionslage zwischen dem Schutz körperlicher Unversehrtheit der minderjährigen Jungen, dem Erziehungsrecht der Eltern und der Religionsfreiheit werben. "
Wie ist in diesem Zusammenhang Art 3 GG zu gewichten? - Hat das Kind per Zufall, da es zB in einer moslemischen Familie geboren wird, automatisch weniger Rechte auf körperliche Unversehrtheit? Anders gefragt, wird das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit stärker eingeschränkt, je mehr die Eltern sich einer Religion verpflichtet fühlen?
weiteres Zitat:
"Für die Vorhautbeschneidung bei Jungen gibt es achtbare Gründe. So empfiehlt beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation WHO die Beschneidung, u.a. aus Gründen der HIV-Prävention."
Welche medizinisch-prophylaktischen Gründe (zum Beispiel Prävention sexuell übertragbarer Infektionen) greifen bei einem Jungen, der in Deutschland lebt, solange er noch nicht einwilligungsfähig ist?
Sehr geehrter Herr Diekmannshemke,
zunächst möchte ich Sie auf folgende zwei Beitrag verweisen: http://beckstage.volkerbeck.de/2012/07/19/warum-ich-dem-antrag-rechtliche-regelung-der-beschneidung-minderjahriger-jungen-im-bundestag-zugestimmt-habe/ und http://beckstage.volkerbeck.de/2012/07/06/beschneidung/, da sie dort (wenn Sie die Beiträge ganz lesen) die Frage zur Grundrechtsabwägung – die so genannte praktische Konkordanz - beantwortet bekommen. Da Sie nach Juristen fragen, die unsere Position untersützen, wöchten wir Sie in der juristischen Fachliteratur beispielsweise auf Bijan Fateh-Moghadem (Rechtswissenschaft, Heft 2, 2010), Kyrill-Alexander Schwarz (Juristische Zeitung, Heft 23, 2008) und Kai Zähle (Archiv des öffentlichen Rechts, 2009) verweisen. Interessant ist zudem die Entscheidung des OVG Lüneburg aus dem Jahr 2002: Ein sozialhilfebedürftiges Kind hat Anspruch darauf (analog zur Kostenübernahme bei der Erstkommunion), dass der Sozialhilfeträger auch die Arztkosten der religiös motivierten Beschneidung tragen muss.
Mit den besten Grüßen,
Team Volker Beck