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Volker Beck
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Frage von Thorsten H. •

Frage an Volker Beck von Thorsten H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Beck,

so sehr ich es schätze, dass sie sich für Minderheiten einsetzen, so fassungslos stehe ich Ihrer Position bei der Frage der Beschneidung gegenüber.
Ich bin auch nicht moslemfeindlich oder antisemitisch, wie Sie dies Beschneidungsgegnern unterstellen. Ich möchte mich aber nicht abfinden mit der Legalisierung der Beschneidung, die Sie unterstützen.
Warum?
In den letzten Jahren wurden alle Anstrengungen unternommen, Kinder vor jeglicher Form der Gewalt zu schützen. Betroffene beschnittene Jungen berichten von ihrer Beschneidung von einem Gefühl des Ausgeliefertseins und viele Eltern entscheiden sich nicht freiwillig, sondern aufgrund familiären Drucks für die Beschneidung. Die Beschneidung ist bei diesen somit nicht Ausdruck eines freien Willens, sondern die Unterdrückung des freien Willens.
Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor, die passieren kann, wenn die Beschneidung legalisiert wird: Ein türkischer Junge, der nicht beschnitten werden will bittet das Jugendamt um Hilfe. Und alles was die ihm in Zukunft sagen können ist, dass seine Eltern das Recht haben darüber zu bestimmen ob er beschnitten wird.
Herr Beck, das ist Unterdrückung, das ist sexuelle Gewalt, das ist Vergewaltigung.
Sie vergessen bei Ihrer Argumentation über den Schutze von Minderheiten, diejenige Minderheit, die dieses Ritual für sich und ihre Kinder zwar ablehnen, aber dem Druck der islamischen und jüdischen Communities nicht standhalten können. Das Ergebnis wird auf dem Rücken der Schwächsten, der Kinder, ausgetragen. Sie unterstützen mit Ihrer Position dieses Machtgefälle anstatt die Betroffenen zu stärken.
Und Sie vergessen die Nachteile der Beschneidung:
http://www.fr-online.de/politik/beschneidung--das-wohl-des-kindes-ist-nicht-verhandelbar-,1472596,16659000.html
Schon die abstrakte Gefahr, dass Jungen durch diesen Eingriff sexuell verstümmelt werden könnten, sollte auch Sie eigentlich davon überzeugen, diese Ritual nicht zu legalisieren, sondern zu verbieten.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Heppheim,

danke für Ihre Frage zum Thema der Beschneidung von Jungen.

Zunächst möchte ich auf die Antwort an Herrn Diekmannshemke vom 22. Juli verweisen.

Darüber hinaus möchte ich Ihnen antworten:

Ihr Beispiel von dem türkischen Jungen ist vollkommen schief. Wenn ein Kind die Beschneidung ausdrücklich ablehnt, dann können die Eltern nicht einwilligen. Dieser Fall ist also bereits klar geregelt: Die Ärztin/der Arzt wären strafbar und die Eltern wohl ebenfalls. Um solche Fälle geht es in der Debatte nicht.

Die gesamte Debatte hat nichts mit sexueller Gewalt und erst recht nicht Vergewaltigung zu tun. Durch eine fachgerecht durchgeführte Beschneidung von Jungen ist der Tatbestand der einfachen Körperverletzung (§ 223 Abs. 2 StGB) erfüllt. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Ich teile Ihre Auffassung, dass Jungen „sexuell verstümmelt“ würden nicht. Es sind keine Fakten bekannt und auch nicht in dieser Debatte genannt worden, die belegen, dass fachgerecht (also medizinisch korrekt und unter Betäubung) beschnittene Jungen und Männer körperlich eingeschränkter sind als unbeschnittene.

Ferner weisen wir Ihre Unterstellungsbehauptung zurück. Viele, die das anders sehen als Herr Beck, kommen zu einer anderen Ergebnis bei der Grundrechtsabwägung. Denen nimmt Herr Beck Ihr Engagement für das Kindeswohl schon ab. Wir erkennen aber auch, dass uns auf verschiedenen Wege Post aus dem Umfeld von NPD und PI erreichen oder wir als Judenknechte und religiöse Fundamentalisten bezeichnet werden. Da erlauben wir uns die Motivlage als anders zu bewerten.

Hier finden Sie dazu ein Interview mit Volker Beck: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-07/beschneidung-gruene-interview-beck

Mit freundlichen Grüßen

Team Volker Beck