Frage an Volker Beck von Daniel H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Beck,
mit Befremden habe ich heute zur Kenntnis genommen, dass Sie in der Bundestagsdebatte über den Rettungsschirm für Griechenland die Entscheidung des Bundestagspräsidenten Lammert, je einem Abgeordneten von CDU und FDP, die diesen ablehnen, ein Rederecht einzuräumen, als "ungeheuerlich" (SpiegelOnline) bezeichnet haben sollen. Meiner Meinung nach ist es aber Sinn einer Parlamentsdebatte, Pro und Contra anzuhören. Wenn in einer Sachfrage der Riss quer durch die Parteien geht und diese innerparteiliche Debatte zudem größere Aufmerksamkeit auf sich zieht als die Meinung der Fraktion der Linken, die als einzige mehrheitlich gegen den Rettungsschrim stimmte, dann ist es aus meiner Sicht im öffentlichen Interesse, eben diesen Abgeordneten von CDU und FDP ein Rederecht einzuräumen. Können Sie mir bitte erklären, warum Sie das anders sehen (zumal Sie sich ja parteipolitisch freuen könnten, wenn die Regierungsparteien ein Bild der Zerrissenheit liefern)? Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Höllen
Sehr geehrter Herr Höllen,
das Anliegen, dass auch Minderheitsmeinungen im Parlament gehört werden müssen, teilen wir uneingeschränkt. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags verfügt über zwei Instrumente, die jedes Mitglied des Bundestags für sich jederzeit in Anspruch nehmen kann, wenn sie oder er es für geboten hält, eine unterlegene Meinung zu vertreten.
1. Eine Erklärung zur Abstimmung nach §31 der Geschäftsordnung gibt den Abgeordneten das Recht, ihr Abstimmungsverhalten zu begründen. Dieses Recht ist insbesondere für jene Abgeordneten gedacht, die mit ihrem Abstimmungsverhalten von ihrer Fraktion abweichen. Nach Schluss der Aussprache kann deshalb jedes Mitglied des Bundestags zur abschließende Abstimmung eine mündliche Erklärung, die nicht länger als fünf Minuten dauern darf, oder eine kurze schriftliche Erklärung abgeben, die in das Plenarprotokoll aufzunehmen ist. Der Präsident erteilt das Wort zu einer Erklärung in der Regel vor der Abstimmung.
2. Zudem bietet die Geschäftsordnung seit den 1980er Jahren die Möglichkeit einer Kurzintervention nach § 27 (2) GOBT. Die Abgeordneten haben somit die Chance, im Anschluß an einen Debattenbeitrag das Wort zu einer Zwischenbemerkung von höchstens drei Minuten zu erhalten. Der vorherige Redner darf hierauf noch einmal antworten. (Siehe: http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/go_btg/index.html )
Von diesem Recht machen die Abgeordneten, insbesondere der Grünen Bundestagsfraktion, rege Gebrauch. Das gehört zur Unabhängigkeit des Mandats und darf daher auch nicht kritisiert oder gar eingeschränkt werden. Die breite Kritik am Verhalten des Bundestagspräsidenten Lammert hat einen anderen Hintergrund. Die Parlamentsfraktionen verabreden zwischen ihren Parlamentarischen GeschäftsführerInnen nach einem Schlüssel, abhängig von der Fraktionsgröße, die Aufteilung der Redezeiten für eine Debatte. Die Fraktionen entscheiden wiederum mehrheitlich, jede für sich, wie diese Redezeiten zwischen ihren Abgeordneten aufgeteilt werden. Der Bundestagspräsident hat hier mit dieser interfraktionellen Vereinbarung gebrochen. Er hat nach eigenem gut dünken zwei Abgeordneten der Regierungsfraktionen das Wort erteilt und damit willkürlich Redezeiten an die Koalition vergeben, ohne dies auch den „Abweichlern“ der Oppostionsfraktionen anzubieten. Minderheitenmeinungen müssen Gehör finden und die Geschäftsordnung des Bundestags bietet dafür auch die richtigen Instrumente.
Mit freundlichen Grüßen
Team Volker Beck