Frage an Volker Beck von Georg M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Beck,
Sie haben sich unter der Überschrift "Auch gegen den Papst darf demonstriert werden" dafür ausgesprochen, dass gegen den Papst während dessen Besuches in "Hör-und Sichtweite des Reichstages" demonstriert werden kann.
Ich bin ebenfalls dafür, dass gegen den Papst demonstriert werden kann, finde es aber richtig, dass dies nicht in der Nähe des Reichstages geschieht. Der Papst ist ein durch Bundespräsident und Bundestagspräsident geladener Gast. Ich weiss, dass Sie gegen die Einladung waren, aber in einer Demokratie müssen Sie eben einmal hinnehmen, dass nicht alles so entschieden wird wie Sie das wollen. Ich fand die geplante Route der Demonstration einen Affront gegen alle katholischen Bürgerinnen und Bürger, die sich in Berlin auf den - aufgrund des hohen Alters des Papstes sicherlich einmaligen - Besuch freuen. Besonders perfide war der Plan vor der St.-Hedwigs-Kathedrale, der wichtigsten katholischen Kirche der Stadt, an genau diesem Tage zu demonstrieren.
Die Demonstranten werden auch wahrgenommen, wenn sie auf dem Potsdamer Platz demonstrieren, zumal, wie Sie sagen, ja Tausende kommen werden. Warum soll die Demonstration vor dem Reichstag stattfinden müssen? Geht es Ihnen bei Ihrer Forderung nicht in Wirklichkeit darum, dass Sie den Besuch des Papstes stören wollen?
Weiter möchte ich gerne wissen, wie weit Ihr Einsatz für die Demonstrationsfreiheit wirklich geht. Nehmen Sie an, jemand wollte gegen den Christopher Street Day in Berlin demonstrieren. Wir sind uns sicher einig, dass in einem demokratischen Staat auch eine solche Demonstration möglich sein muss. Wären Sie auch in diesem Fall dafür, dass die Demonstration in Hör- und Sichtweite der Parade stattfinden könnte?
Mit freundlichen Grüssen
Ihr
Georg Misdroy
Sehr geehrter Herr Misdroy,
es ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, dass der Schutz der Versammlungsfreiheit das Interesse der Veranstalter auf einen „Beachtungserfolg in möglichst großer Nähe zum symbolhaltigen Ort“ umfasst. Diese Rechtsprechung gilt für alle friedlichen Versammlungen, ob sie sich gegen den Papst oder den CSD richten. Der Papst ist als Staatsgast geladen und wie andere Staatsgäste vor ihm, muss sich auch der Papst den Protest der Bürgerinnen und Bürger gefallen lassen. So funktioniert Demokratie.
Die Demonstration gegen den Papst-Besuch richtet sich nicht gegen die Katholikinnen und Katholiken in diesem Land oder den Katholizismus an sich. Die Religionsfreiheit ist ein unangreifbares Gut. Es ist aber vollkommen legitim, die menschenfeindliche Sexualpolitik des Papstes zu kritisieren und dafür auf die Straße zu gehen. Auch der Umgang mit den antidemokratischen und hardcore-antisemitischen Pius-Brüdern ist Anlass zum Protest. Daher unterstützt Herr Beck Proteste gegen den Papstbesuch.
Mit freundlichen Grüßen
Team Volker Beck