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Volker Beck
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Frage von Lutz H. •

Frage an Volker Beck von Lutz H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Beck,

ich wende mich an Sie als den parlamentarischen Geschäftsführer Ihrer Fraktion.

Am 30.06.2011 wird der Bundestag über eine "Gemeinsame Initiative zur Parteienfinanzierung und Abgeordnetenentschädigung" befinden ( http://www.gruene-bundestag.de/cms/innenpolitik/dok/385/385114.gemeinsame_initiative_zur_parteienfinanz@de.html ). Gegenstand dieser Initiative ist u. a. eine Erhöhung der Abgeordnetendiäten.

Auf der Website Ihrer Fraktion heißt es:

"Die Diät muss ... so bemessen sein, dass Abgeordnete auf Nebentätigkeiten nicht angewiesen sind."

Können Sie angeben, wo die Untergrenze liegt, ab der ein ein Abgeordneter auf Nebentätigkeiten angewiesen wäre?

Mit freundlichen Grüßen

Lutz Horn

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Horn,

die Themen Abgeordnetendiäten und deren Erhöhung sorgen immer wieder für öffentliche Diskussionen. Dennoch ist es wichtig, die Problematik genauer und mit ihren Hintergründen zu beleuchten:

Mit der im Sommer verabschiedeten Änderung des Abgeordnetengesetzes werden die Abgeordnetendiäten entsprechend der gesetzlichen Vorgaben angehoben. Nach einer bereits seit 1996 im Abgeordnetengesetz befindlichen Regelung soll sich die monatliche Abgeordnetenentschädigung ("Diät") an den Monatsbezügen eines Richters an einem obersten Gerichtshof des Bundes (Besoldungsgruppe R 6) und eines kommunalen Wahlbeamten auf Zeit (Besoldungsgruppe B 6) orientieren. Dieser Orientierungswert (derzeit monatlich ca. 8.100 EUR), wurde zu keinem Zeitpunkt erreicht. Die monatliche Abgeordnetenentschädigung beträgt derzeit 7.668 EUR. Mit der jetzt vorgesehenen Diätenerhöhung soll der Abstand der Abgeordnetenentschädigung zu den im Gesetz verankerten Bezugsgrößen verringert werden. Eine vollständige Anpassung erfolgt jedoch nicht. Die Erhöhung bleibt unter dem gesetzlich seit 1996 vorgesehenen Richtwert.

Die repräsentative Demokratie braucht starke Abgeordnete. Abgeordnete müssen unabhängig und glaubwürdig sein. Unabhängigkeit wird gestärkt, wenn Abgeordnete auch gut für ihre Arbeit bezahlt werden und sich ausreichend Expertise leisten können, durch die sie überhaupt erst von Lobbyisten unabhängig werden können. So betont das Bundesverfassungsgericht, dass die Abgeordnetenentschädigung "der Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und Belastung und des diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommenden Ranges gerecht werden" muss. "Die Bemessung des parlamentarischen Einkommens darf die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten und die praktische Möglichkeit, sich seiner eigentlichen parlamentarischen Tätigkeit auch um den Preis, Berufseinkommen ganz oder teilweise zu verlieren, widmen zu können, nicht gefährden." (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urt. v. 05.11.1975). Die Diät muss mit anderen Worten so bemessen sein, dass Abgeordnete auf Nebentätigkeiten nicht angewiesen sind. Glaubwürdigkeit hingegen verlangt transparente Entscheidungen und Verzicht auf ungerechtfertigte Privilegien.

Im Gesetzentwurf ist auch die Einsetzung einer unabhängigen Kommission vorgesehen. Die Kommission soll bis zum Ende der 17. Wahlperiode Empfehlungen für ein Verfahren für die künftige Anpassung der Abgeordnetendiäten und für die zukünftige Regelung der Altersversorgung der Abgeordneten vorlegen. Sie soll im Herbst vom Deutschen Bundestag eingerichtet werden. Die Befassung der Kommission mit der Frage der Altersversorgung für Abgeordnete greift eine Forderung der grünen Bundestagsfraktion auf, die bereits 2007 einen Entschließungsantrag eingebracht hatte, mit dem eine grundlegende Reform des Systems der Altersversorgung von Abgeordneten des Deutschen Bundestages verlangt wird (Bundestagsdrucksache 16/7185).

Erlauben Sie mir bitte noch eine Schlussbemerkung: Entgegen landläufiger Meinungen bewältigen die Abgeordneten ein sehr hohes Arbeitspensum, dass mit dem von Spitzenmanagern vergleichbar ist. Wochenend- und Abendtermine sind neben überdurchschnittlichen Wochenarbeitszeiten die Regel. Abgeordnete übernehmen gesellschaftliche Verantwortung, sind Mitglieder des ersten Verfassungsorgans und treffen einschneidende Entscheidungen. Gleichwohl erzielen Abgeordnete gegenüber Personen mit vergleichbaren Positionen in der Privatwirtschaft ein deutlich geringeres Einkommen. Auch aus diesen Gründen hält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag den Vergleichsmaßstab der obersten Bundesrichter für angemessen und eine moderate Steigerung der Abgeordneteneinkünfte für gerechtfertigt.

Ich hoffe, dass unsere Position für sie nachvollziehbar ist und verbleiben mit freundlichen Grüßen

Team Volker Beck