Frage an Volker Beck von Yves B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Beck,
in folgendem Interview mit der Legal Tribune Online:
http://www.lto.de/de/html/nachrichten/2331/EGMR-zur-sicherungsverwahrung-interview-ullenbruch/
bringt ein Richter und Autor zum Thema Sicherungsverwahrung schwere rechtliche Bedenken gegen das am 01.01.2011 inkraftgetretene „Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung“ vor:
-Verfassungsrechtlich scheitere das Therapieunterbringungsgesetz an fehlender Gesetzgebungsbefugnis des Bundes, fehlender Bestimmtheit des Begriffs "psychische Störung" sowie als Einzelfallgesetz zur Aushebelung einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).
-Öffentlich werde vorgetäuscht, die vom EGMR angegriffene nachträgliche Sicherungsverwahrung werde mit der Neuregelung abgeschafft, während in Art. 316e EGStGB (Einführungsgesetzbuch zum Strafgesetzbuch) eine Ausnahme versteckt sei. Tatsächlich regelt dieser, dass im Wesentlichen für alle schon wegen Taten vor dem 01.01.2011 Verurteilten weiter die alte Regelung gilt:
http://bundesrecht.juris.de/stgbeg/art_316e.html
-Neben dem der nachträglich verlängerten sei bald auch ein Verbot der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung zu erwarten. Er begründet das mit einem EGMR-Urteil vom 13.01.2011, wonach nachträgliche Freiheitsentziehung aufgrund einer Fortgeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts für ein von ihm als verfassungswidrig befundenes Gesetz gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt. Es seien nicht alle Urteilsaussagen im konkreten Fall bedeutsam gewesen, was entsprechende Schlüsse auf anstehende EGMR-Urteile zulasse.
Ich bitte um Auskunft, wie Sie als MdB und Mitglied des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe diese brisante Angelegenkeit bewerten und handhaben werden.
Mit freundlichen Grüßen
Yves Busch
Sehr geehrter Herr Busch,
bitte entschuldigen Sie meine verspätete Antwort.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 4. Mai 2011 meiner Ansicht nach zu Recht sämtliche Regelungen zur Sicherungsverwahrung im deutschen Recht für verfassungswidrig erklärt.
Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es ermahnt den Gesetzgeber, auch beim Umgang mit gefährlichsten Straftätern die Prinzipien des Rechtsstaats ohne jegliche Abstriche zu wahren. Es ist gut, dass das Gericht ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept vom Gesetzgeber verlangt. Nun muss die Regierung endlich ihre Hausaufgaben machen.
Das Urteil stellt klar, was wir Grüne schon immer fordern. Der Rechtsstaat darf nur als absolute Ausnahme und nur bei Gefahr schwerster zukünftiger Straftaten, zum Mittel der Sicherungsverwahrung greifen.
Dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in dieser wichtigen Frage nicht weiter auseinanderklaffen, begrüße ich sehr.
Mit freundlichen Grüßen
Volker Beck